»Die fabelhafte Welt der Mathematik«: Ein Leben ohne Mathematik ist möglich, aber nicht wünschenswert
Wer zu den regelmäßigen Lesern des entsprechenden Spektrum-Newsletters gehört, kennt die Autorin als Redakteurin, die Woche für Woche einen bestimmten Aspekt der Mathematik genauer unter die Lupe nimmt.
62 ihrer Beiträge wurden für dieses Buch ausgewählt. Im Unterschied zu den wöchentlichen Artikeln, bei denen die Themen ständig wechseln und mal einen historischen, mal einen aktuellen Bezug haben, hat die Autorin die Beiträge in ihrem Buch zehn Oberthemen zugeordnet. Einige der Kapitelüberschriften wie »Vorsicht, Statistik!« oder »Die Kreiszahl Pi« verraten, welche Inhalte hier jeweils zu erwarten sind, andere eher nicht. Jeder Artikel kann für sich gelesen und verstanden werden. Dass es dabei auch mal zu Wiederholungen kommt, etwa bei der Erläuterung von Begriffen, mag höchstens die Leser stören, die das Buch schnell von vorn bis hinten durcharbeiten möchten. Die Literaturhinweise wurden kapitelweise zusammengestellt; sie belegen die Recherchearbeit der Autorin und laden zur Vertiefung ein. Ein Stichwortverzeichnis wäre darüber hinaus wünschenswert gewesen.
Die Artikel sind ausnahmslos spannend geschrieben, oft wechseln verschiedene Aspekte eines Problems – in atemberaubender Weise – noch innerhalb eines Beitrags. Dass dabei auch Fachbegriffe wie »Fourier-Transformationen«, »partielle Differentialgleichungen« oder »diffeomorphe Abbildungen« verwendet werden, sollte niemanden abschrecken. Die ausgewählten Einstiegsbeispiele – mitunter auch aus dem persönlichen Erlebnisbereich der Redakteurin – sind ansprechend, gut nachvollziehbar und machen neugierig auf die folgenden Ausführungen.
Schienennetze planen oder Lebenspartner finden: alles mit Hilfe der Mathematik
Die Themen sind extrem vielfältig. In den Beiträgen geht es etwa um den Rechenaufwand bei der optimalen Planung von Schienennetzen, Strategien zur Auswahl von Bewerbern oder Lebenspartnern, Wartezeiten an Aufzügen in Hochhäusern, die Anwendung des Satzes des Pythagoras bei der Ermittlung der Entfernung von im Meer schwimmenden Walen, die Suche nach dem besten repräsentativen Wahlsystem oder Maßprobleme bei der Bestimmung der Länge von Landesgrenzen.
Einzelne Geschichten beschäftigen sich mit verblüffenden mathematischen Phänomenen wie beispielsweise dem »Hairy ball theorem«, dem »Banach-Tarski-Paradoxon« oder dem »Satz von Ulam-Borsuk«. Auch die »Wurst-Katastrophe« und das »Sandwich-Problem« von Steinhaus kommen zu ihrem Recht – und all diese Beispiele werden verständlich dargestellt. Bei den Episoden aus der Geschichte der Mathematik zeigt sich das erzählerische Talent der Autorin. So wird die Fehde zwischen Tartaglia und Cardano ebenso spannend präsentiert wie das kurze tragische Leben von Galois.
Kleinere Schwächen des Buchs fallen gegenüber diesen Stärken nicht sonderlich ins Gewicht. Die Texte sind eng gedruckt, auch Formeln oder Umformungen von Gleichungen sind nicht freigestellt, was das »Lesen« mitunter unnötig erschwert. Die meisten Formeln werden lediglich mitgeteilt, nur in wenigen Fällen hergeleitet. Die zahlreichen Grafiken veranschaulichen die Sachverhalte zwar sehr gut und sind großzügig gestaltet. Sie alle enthalten aber Copyright-Hinweise – dass sogar ein Beispiel für das schriftliche Dividieren (»7761 : 39 = 199«) eines solchen Hinweises bedarf, Tabellen dagegen nicht, irritiert ein wenig.
Insgesamt wird dieses ebenso unterhaltsame wie informative Buch seinen Beitrag dazu leisten, das in der Öffentlichkeit leider allzu oft gepflegte Image der Mathematik als einer »Fremdsprache«, die nur für Experten verständlich sei, zu korrigieren. Wie es Florian Freistetter, der auch das Vorwort verfasst hat, treffend formuliert: »Die meisten Menschen wissen noch nicht, dass sie sich für Mathematik interessieren. Das Buch von Manon Bischoff kann diese Wissenslücke hervorragend schließen.«
Im Sinne der Transparenz sei noch einmal erwähnt: Die Autorin des Buchs ist Redakteurin bei »Spektrum der Wissenschaft«, dessen Verlag zu »Springer Nature« gehört.
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