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Bewusstsein light

Das Buch liefert wissenswerte Fakten zur frühkindlichen Entwicklung, strotz jedoch vor Fremdwörtern.

Wann wird ein Fötus oder Säugling zur Person? Nach Auffassung von Hugo Lagercrantz, wenn das Hirn so reif ist, dass Bewusstsein möglich ist. Wie dieser mentale Zustand entsteht, will der Autor im vorliegenden Sachbuch klären, indem er die Hirnentwicklung von der Empfängnis bis zur frühen Kindheit aus vorwiegend klinischer Sicht erläutert.

Hugo Lagercrantz ist Facharzt für Kinderheilkunde und Seniorprofessor für Pädiatrie am Karolinska-Institut in Schweden. Als Leiter des Neugeborenenprogramms am Astrid-Lindgren-Kinderkrankenhaus in Stockholm hat er zahlreiche Studien durchgeführt, über 300 wissenschaftliche Publikationen sowie mehrere Bücher veröffentlicht.

Hochkomplexer Zellhaufen

Im vorliegenden Werk startet er nach einer kurzen historischen Einführung mit der grundlegenden Struktur des Gehirns und dessen Entwicklung von einer befruchteten Eizelle hin zu einem hochkomplexen Zellhaufen aus Milliarden von Zellen. Schnell wird klar: Das Werk ist nichts für Laien – biologische, insbesondere neurobiologische Vorkenntnisse sind Pflicht.

Der Klappentext verspricht zwar »populärwissenschaftliche Erläuterungen«, der Band liefert davon aber nur wenige, dazu oft auch missverständliche. Vielmehr strotzt er nur so vor Fremdwörtern, die entweder gar nicht oder erst sehr spät erläutert werden. Mehr als 90 Abbildungen liefern zusätzliche – mal mehr, mal weniger hilfreiche – Erklärungen. Die zur Auflockerung eingestreuten Anekdoten wirken gelegentlich willkürlich oder deplatziert.

Im weiteren Verlauf schreibt der Autor über die Bewegungen des Fötus im Mutterleib und dessen Wahrnehmungsfähigkeiten, die Entwicklung der einzelnen Hirnregionen und Körperfunktionen sowie den Stress der Geburt und was dieser mit den ersten Atemzügen zu tun hat. Dabei beruft er sich auf zahlreiche eigene Studien. Ein ganzes Kapitel widmet er Kindern, die zu früh auf die Welt kommen, sowie den daraus resultierenden Folgen und Unterstützungsmöglichkeiten.

Bis Lagercrantz zum ersten Mal konkret über Bewusstsein spricht, hat man fast das halbe Buch hinter sich gebracht. Leider diskutiert der Autor kaum, was genau dieser Zustand ist und was er beinhaltet. Nichtsdestoweniger liefert das Werk einige interessante Fakten, etwa zum Schmerzbewusstsein: So glaubte man früher, dass Neugeborene Schmerzen nicht bewusst wahrnehmen. Bis zur Widerlegung dieser falschen Auffassung wurden Operationen an Säuglingen mitunter ohne Schmerzmittel oder Anästhesie durchgeführt.

Alles in allem liefert das Buch Wissenswertes zur frühkindlichen Entwicklung, ist aber nur einem fachnahen Publikum zu empfehlen.

Hinweis der Redaktion: Spektrum der Wissenschaft und Springer Science+Business Media gehören beide zur Verlagsgruppe Springer Nature. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Rezensionen. Spektrum der Wissenschaft rezensiert Titel aus dem Springer-Verlag mit demselben Anspruch und nach denselben Kriterien wie Titel aus anderen Verlagen.

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