»Die Geburt des römischen Kaiserreichs«: Ein Drama in vier Akten
Vor fast 2000 Jahren setzten die ägyptische Königin Kleopatra und ihr Gemahl, der römische Imperator Marcus Antonius, ihrem Leben ein Ende. Sie waren ein höchst umstrittenes Paar gewesen, beneidet und angefeindet. Jahrelang hatten sie mit ihrem Gegenspieler Octavian darum gerungen, wer das Imperium Romanum und Ägypten regieren sollte. Vor der Küste Westgriechenlands nahe Actium trafen beide Parteien am 2. September 31 v. Chr. in einer mörderischen Seeschlacht aufeinander, deren Ausgang die Geschichte veränderte.
Der Militärhistoriker Barry Strauss erzählt das Drama in vier Akten – von der Vorgeschichte über die Planung und den Verlauf der Schlacht bis hin zu den anschließenden Ereignissen. Dabei ist vieles plausible Vermutung, denn die Chronisten folgten weitgehend der Propaganda des Siegers, der zufolge Antonius durch einen orientalischen Lebensstil verweichlicht und von Kleopatra entmannt worden sei. Aber Strauss liest auch zwischen den Zeilen und zieht die unterschiedlichsten Quellen heran, um jedes noch so kleine Detail zu rekonstruieren – vom Schiffskatalog der Flotten, die in Actium aufeinandertrafen, bis hin zur Auflistung der jeweiligen Verbündeten, der Überläufer und Getreuen.
Marcus Antonius war unter Julius Cäsar aufgestiegen und hatte dessen Mörder zur Strecke gebracht – gemeinsam mit Cäsars Adoptivsohn Octavian. Die Zweckgemeinschaft zerbrach, doch man arrangierte sich vorerst und teilte das Imperium. Octavian herrschte von Rom aus über den Westen, Antonius erhielt den Osten inklusive Ägypten und dessen Königin Kleopatra.
Was konnte ein Mann mehr verlangen? Kleopatra war allen Berichten nach attraktiv und verstand es, sexuelles Verlangen zu wecken. Als Spross der Ptolemäer-Dynastie regierte sie Ägypten, und das war eines der reichsten Länder der Zeit. Sie war gebildet, sprach wohl mindestens sieben Sprachen und beherrschte das politische Handwerk meisterhaft. Die Menschen sahen in ihr die Göttin Isis, Antonius galt als Dionysos. Es hätte eine wunderbare Zeit werden können.
Wäre da nicht Octavian gewesen, Anfang dreißig, energiegeladen, politisch gewieft und ehrgeizig. Er verstand sich auf die Kunst der Intrige, wusste Unterstützer zu finden und bei Bedarf zu verraten. Octavian kannte die Finessen der römischen Senatsrepublik und bereitete gleichzeitig ihr Ende vor. Er war ein mutiger Feldherr, dem seine Legionen Treue schworen, war aber klug genug, seinem Meisterstrategen Marcus Agrippa freie Hand zu lassen. Dessen Klasse setzte Antonius vor allem Masse entgegen: Ägyptens gut gefüllte Staatskasse verhalf ihm zu einer gewaltigen Flotte und einem großen Heer. Am Ende aber siegte die bessere Strategie.
Der Bürgerkrieg Römer gegen Römer bahnte sich langsam an, aber sicherlich trafen beide Seiten schon früh ihre Vorbereitungen. Als sie einen Erstschlag Octavians nahen sahen, beschlossen Antonius und Kleopatra ihm zuvorzukommen und in Italien einzumarschieren. Dazu verlegten sie den Großteil ihrer Flotte an die westgriechische Küste nahe Actium. Hätten sie alsbald übergesetzt und Octavian zu einem Landkrieg gezwungen, so überlegt Strauss, gäbe es heute vielleicht andere Chroniken. Doch sie zögerten zu lange, waren zu vorsichtig, und ihre Gegner setzten ihrerseits über und spielten auf Zeit. Antonius versuchte, Octavians Trinkwasserversorgung zu kappen, im Endeffekt waren es aber seine eigenen Soldaten, die an Krankheiten und Hunger starben.
Schlacht, Flucht und Schatz
Am 2. September 31 v. Chr. suchte Octavian sein Heil in der Schlacht oder besser gesagt in der Flucht. Strauss vermutet, dass es von vornherein sein Plan war, im Schlachtengetümmel mit Kleopatra und ihrem Staatsschatz zu entkommen. Etliche seiner Galeeren blieben mangels Ruderern unbemannt, Antonius blieben wohl gut 230 Schiffe. Octavian hatte gut 400 und auch etwa doppelt so viele Soldaten an Bord. Überdies verriet ihm ein Überläufer, welche Strategie Antonius verfolgte. Admiral Agrippa musste nur abwarten und seine Frontlinie aufbauen. Statt anzugreifen, zwang er Antonius zum Handeln. Und das bedeutete: Dessen ohnehin geschwächten Ruderer mussten eine lange Distanz überwinden, damit die Rammsporne ihre Arbeit erledigen konnten. Vielleicht fehlte es da schon an der nötigen Wucht? Strauss lässt seiner Fantasie freien Lauf, um das Geschehen lebendig zu machen. Welche Geräusche hörten die Kämpfer? Splitterndes Holz, das Abfeuern der Katapulte, den Einschlag der Geschosse, das Fauchen von Flammen, Befehle, Schreie.
Octavian gewann die Schlacht, Antonius und Kleopatra entkamen aber mit etwa einem Drittel ihrer Flotte und dem Schatz. Abermals bewies Octavian politisches Geschick. Statt Antonius‘ Verbündete zu bestrafen, ging er auf Vermittlungstour. In Athen etwa, das traditionell gute Beziehungen zum ptolemäischen Ägypten unterhielt, verteilte er Getreide und verkündete einen Schuldenerlass.
Allenthalben ließen seine Verbündeten und Getreuen Antonius im Stich. Zuletzt am 1. August 30 v. Chr.: Auf dem Schlachtfeld vor Alexandria wollte Antonius ehrenvoll sterben. Also bot er alles auf, was er noch an Streitkräften hatte, und zog dem anrückenden Octavian entgegen. Aber Kavallerie und Flotte wechselten die Seiten, seine Infanterie wurde aufgerieben. Antonius stieß sich ein Schwert in den Unterleib. Er wurde sterbend zu Kleopatra gebracht, die sich in ihrem Mausoleum verschanzt hatte.
Octavian eroberte Alexandria, errang den Schatz, mit dem er endlich die Schulden begleichen konnte, die er für die Aufstellung von Heer und Flotte aufgenommen hatte. Laut seinen Chronisten plante er, Kleopatra im Triumphzug durch Rom zu führen und dann hinrichten zu lassen. Sie kam ihm zuvor. Eine Giftschlange habe sie in ihr Gemach schmuggeln lassen, so erzählt es die Legende.
Hätten die ägyptische Königin und Marcus Antonius den Machtkampf für sich entschieden, wäre das Imperium wohl fürderhin von Alexandria aus regiert worden. Das wusste Octavian zwar zu verhindern, de facto aber setzte er selbst der althergebrachten Republik ein Ende. Vier Jahre nach Actium verlieh ihm ein entmachteter Senat den Titel »Augustus«, der Erhabene. Was Julius Cäsar nicht gelungen war, hatte sein Adoptivsohn erreicht: Er herrschte allein und formte das Imperium nach seinen Vorstellungen.
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