Gut gebrüllt, Tiger!
Tigerjunge Til ist nicht immer stark. Am wohlsten fühlt er sich, wenn er seine Familie um sich hat. Dann ist er fröhlich und ganz er selbst. Aber unter Fremden ist er gehemmt. Was für andere Tiger ganz normal ist, bereitet ihm Bauchschmerzen: Kinder zu sich einladen oder allein einkaufen? Undenkbar!
Mit Hilfe seiner verständnisvollen Therapeutin, einer Eule, lernt er gemeinsam mit anderen Tierkindern, sich selbst mehr zuzutrauen, sich seinen Ängsten zu stellen und am Ende sogar zu brüllen wie ein richtiger Tiger.
Den beiden Verhaltenstherapeutinnen Sabine Ahrens-Eipper und Katrin Nelius ist ein wertvolles und schön illustriertes Buch für sozial unsichere Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren gelungen. Es soll diesen helfen, Furcht einflößenden Situationen mit geeigneten Taktiken die Stirn zu bieten und Ängste abzubauen.
Das liebevoll gestaltete und in kindgerechter Sprache verfasste Werk kann für sich allein stehen, ist aber als Ergänzung zu "Mutig werden mit Til Tiger. Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder" gedacht. Entsprechend orientieren sich die von den Tierkindern erlernten Strategien an dem kognitivverhaltenstherapeutischen Trainingsprogramm der Autorinnen.
Mutig werden ist wie Bergsteigen
Mutig werden ist nicht leicht. Die Eule vergleicht das mit Bergsteigen. Das strengt an, aber mit genug Ausdauer und einem festen Ziel vor Augen kann man die höchsten Berge erklimmen. Gemeinsam meistern die Tierkinder genau jene Situationen, mit denen auch sozial unsichere Menschenkinder ihre Schwierigkeiten haben. Dabei helfen ihnen selbst gebastelte Mutmach- und Erinnerungskarten, die sie hervorholen können, wenn die Angst sie zu überwältigen droht. Auf einer ist zum Beispiel ein Schallplattenspieler abgebildet. Er soll daran erinnern, sich selbst wieder und wieder "Ich schaffe das" zu sagen. Nach bestandener "Mutprobe" tragen Til und seine Freunde auf einer Wanderkarte das erreichte Etappenziel ein, zum Beispiel "allein einkaufen". So lernen sie Stück für Stück, vor der Klasse zu sprechen, verliehenes Geld zurückverlangen oder deutlich "Nein, ich möchte das nicht!" zu sagen.
Til Tiger fällt das nicht immer leicht, hin und wieder ist die Angst stärker. Doch davon lässt er sich nicht entmutigen und sagt zu sich selbst: "Macht nichts – dann eben morgen!" Eine schöne Art, den kleinen Lesern und auch deren Eltern zu zeigen, dass kleine Rückschläge völlig normal sind und kein Grund, aufzugeben.
Der Erzählfluss des Buchs ist zuweilen holprig und das Ende etwas abrupt. Als klassisches Kinderbuch ist es daher eher weniger geeignet. Für schüchterne oder sozial ängstliche Kinder bietet die Geschichte von Til Tiger jedoch wertvolle Tipps und nützliche, detailliert beschriebene Übungen. Diese können die Kleinen gemeinsam mit ihren Eltern gleich in die Tat umsetzten. Dadurch erfahren sie: Was zunächst wie eine unüberwindbare Gebirgskette wirkt, können sie mit der Zeit, der richtigen Ausrüstung und einer Portion Mut mit Bravur erklimmen.
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