»Die Grenzen des Wissens«: Über den Fortschritt unseres Wissens – und wo es (noch) hakt
Ein interessantes wissenschaftshistorisches Werk, das der britische Philosoph A.C. Grayling vorlegt – wenn auch die im Titel genannten »Grenzen des Wissens« nicht das zentrale Thema des Buchs sind. Es geht vielmehr um eine populärwissenschaftliche Darstellung des aktuellen Wissensstands verschiedener Forschungsgebiete und ihrer Entwicklung. Die Grenzen unseres Wissens werden immer wieder erwähnt, sie scheinen für den Autor jedoch nicht den Mittelpunkt seiner Ausführungen zu bilden. Die im Untertitel formulierte Frage – Was wissen wir von dem, was wir nicht wissen? – wird folglich nur zum Teil beantwortet.
Das Buch besteht aus drei Teilen, deren Inhalt sehr unterschiedlich ist. Gleich in der Einleitung betont Grayling, dass es sich um ein Buch für interessierte Laien handle und Leser, die bereits über Kenntnisse verfügen, die entsprechenden Teile überspringen sollen.
Teil I widmet sich auf knapp 140 Seiten den Naturwissenschaften mit Fragen zu der Technik vor der Naturwissenschaft, der Entstehung der Naturwissenschaften und unseres darauf beruhenden Weltbildes. Auf etwa 120 Seiten beschreibt Teil II die Anfänge der Geschichte und die Entwicklung des modernen Menschen, während in Teil III auf rund 100 Seiten die Funktionen von Gehirn und Geist aus Sicht der Hirnforschung und Psychologie zusammenfasst werden. Natürlich kann eine solch knappe Darstellung nur ein grober Abriss des jeweiligen Forschungsbereichs sein. Weiterführende Informationen finden sich im Anhang: eine umfangreiche Bibliografie, Anmerkungen sowie ein Register.
Auf das zentrale Thema des Buchs geht der Autor eher knapp aus unterschiedlichen Blickwinkeln ein. Die Grenzen der Forschung in Bereich der Naturwissenschaften werden unter anderem anhand des »Nadellochproblems« diskutiert: Wir besitzen nur sehr begrenzte Daten, die uns in Raum und Zeit zur Verfügung stehen und uns aus unserer endlichen und eingeschränkten Perspektive einen Blick auf die Wirklichkeit erlauben. Folglich können wir nur dann sinnvoll über die Welt nachdenken, wenn sie eine vergleichbare Größe besitzt wie wir selbst. Unser Denken hat daher große Probleme, wenn wir uns mit sehr Kleinem wie der subatomaren Physik oder sehr Großem wie der Kosmologie und der astronomischen Forschung weit entfernter Galaxien beschäftigen. Wir scheinen nicht in der Lage zu sein, angemessen über die Extreme jenseits der für uns normalen Größen nachzudenken.
Die Forschung über die Geschichte des Menschen findet ihre Grenzen, wenn es um Dinge geht, die so weit zurückliegen, dass sie nicht schriftlich dokumentiert sein können, sondern nur auf indirekter Evidenz wie Funden von Ausgrabungen beruhen. Die Erkenntnisse aus der Erforschung der vorklassischen Vergangenheit und der menschlichen Evolution werden daher immer nur vorläufig sein können. Eine sinnvolle Interpretation ist eng verwoben mit einem »Hineinlesen in die Geschichte«, das seiner Natur nach immer auch subjektiv gefärbt ist. Vor allem bei Daten der Geschichtswissenschaften und der Psychologie hängt die Interpretation erheblich von dem epochenbedingten Blickwinkel der Wissenschaftler ab.
Auch die Fortschritte der Neurowissenschaften zeigen, dass es Fragen gibt, die nicht durch eine rein datengetriebene Deutung beantwortbar sind. Beispielsweise erscheint die Problematik des Zusammenhangs zwischen Neurophysiologie und Bewusstsein oder zwischen Gehirn und Geist nicht einfach lösbar.
Insgesamt erfahren wir in diesem Buch vieles über die Entwicklung sehr unterschiedlicher Fachgebiete. Ob diese Auswahl wissenschaftshistorischer Themen interessant ist, muss wohl jeder für sich entscheiden. Eine lesenswerte Alternative wäre das Buch von Jürgen Renn »Die Evolution des Wissens«.
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