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Über Hirnforschung erzählen

"Mein Gehirn? Das ist mein zweitliebstes Organ!", witzelte Regisseur Woody Allen einst. Für den amerikanischen Neurologie-Professor Richard Restak scheint es an erster Stelle zu stehen. Mehr als zwanzig populärwissenschaftliche Bücher hat er dem Gehirn bislang gewidmet. In seinem neuesten will er den ganz großen Fragen auf den Grund gehen: Kann der Geist ohne Körper existieren? Was ist das "Ich"? Ist der freie Wille eine Illusion? Auf gut zweihundert Seiten wühlt er sich durch zentrale Probleme der Hirnforschung und Psychologie. Bei gerade mal zehn Seiten pro Themengebiet sind seine Exkurse nicht gerade tiefschürfend, aber unterhaltsam.

Restak gelingt es, auch komplizierte Zusammenhänge verständlich und fesselnd darzustellen. Um den Leser bei Laune zu halten, zieht er alle Register. Die Kapitel sind prall gefüllt mit Anekdoten aus seinem Forscherleben, mit Gedankenexperimenten sowie Zitaten aus Literatur und Mythologie. Häufig beschreibt er einfache Selbstversuche, die man als Leser ohne weiteres nachmachen kann.

Als Darwin flüchten wollte

So erklärt der Neurologe das psychologische Phänomen der Veränderungsblindheit mit einem simplen Kartentrick. Im Kapitel über Schlaf und Träume schildert er seine therapeutischen Erfahrungen mit traumatisierten Irakkriegsveteranen. Und die Grenzen des freien Willens illustriert er mit einer Geschichte über Charles Darwin, der angesichts einer Giftschlange reflexartig zurückschreckte – obwohl sich eine dicke Scheibe zwischen ihm und dem Zootier befand. Die zahlreichen Abschweifungen sorgen für inhaltliche Vielfalt, lenken aber auch vom roten Faden ab. Im steten Anekdotengewitter verliert man leicht den Überblick: Worum ging es in diesem Kapitel gleich noch mal?

Schade auch, dass der blumige Schreibstil zuweilen auf Kosten der Genauigkeit geht. Vieles reißt Restak nur vage an, einige Details sind schlichtweg falsch. So behauptet der Autor, die Großhirnrinde enthalte zwei Drittel aller Nervenzellen des menschlichen Gehirns – tatsächlich sind es weniger als ein Fünftel. Ärgerlich ist zudem die holprige Übersetzung. Aus dem englischen Original wurde in der deutschen Ausgabe ein recht spröder, ungelenker Text. Kostprobe: "In jeder Diskussion, in der es darum geht, ob der Geist unabhängig vom Körper existiert, ist es wichtig, gewisse Annahmen zu vermeiden, die nicht immer korrekt sind". Ach so.

Für Neulinge bietet das Buch einen launigen Einstieg in die Welt der Hirnforschung. Als grober Überblick über die wichtigsten Fragen der Neurowissenschaften überzeugt es. Wer sich für die behandelten Themen aber tiefer interessiert, für den hält sich der Erkenntnisgewinn in Grenzen.

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