Buchkritik zu »Die H2-Revolution«
Der Autor Jeremy Rifkin träumt von der Zukunft wie andere von der Herabkunft des Messias: Machtvoll und so rasant wie das World Wide Web wird sich ein weltweites Wasserstoffenergienetz über unseren Planeten legen und unsere Volkswirtschaften revolutionieren. Sauberer und unbegrenzt verfügbarer Wasserstoff wird dezentral produziert und konsumiert. Millionen von Energieverbrauchern zwingen die Ölkonzerne und die islamischen Ölproduzenten in die Knie. Kein Land mehr muss sich für Öl verschulden, und der Abgrund zwischen den Wohlhabenden und den Habenichtsen wird überwunden.
Rifkin, der Prediger der letzten Tage der fossilen Hochkultur, kündet in seinem sechzehnten Buch vom Segen des Wasserstoffs für alles Irdische. Tief in die Gesellschaftsstruktur wird der Urstoff des Universums wirken: Zum ersten Mal in der Geschichte wird eine wirklich demokratische, dezentrale Form menschlichen Zusammenlebens denkbar. Selbst das Konzept des Nationalstaats wird disponibel, denn es ist eine Erfindung der Kohlenwasserstoffära. Rifkin, der "Intellektuelle und Querdenker" (Klappentext), kennt längst die Weichenstellung für die Zukunft: Die geopolitische Zersplitterung, welche die gesamte Ära der fossilen Brennstoffe prägte, wird im Wasserstoffzeitalter einer biosphärischen Politik weichen. Und etwas esoterischer gewendet: Wir werden uns selbst als Teil eines gesamtweltlichen Organismus erleben.
Immerhin: Für die Rohstoffkrise, die Rifkin daherkommen lässt wie einen Reiter der Apokalypse, sprechen handfeste Fakten. Versiegt der Fluss billigen Erdöls aus den unterirdischen Lagerstätten, geraten unsere Volkswirtschaften aus dem Tritt. Elektrischer Strom wird knapp, die Industrieproduktion wird heruntergefahren, und die Menschen frieren in ihren Häusern. Selbst die Mägen bleiben leer: Zwischen Acker und amerikanischem Supermarktregal verschlingt die Versorgung mit Lebensmitteln, dank hochmotorisierter Landwirtschaft und ressourcenzehrender Lebensmittelproduktion und Distribution, siebzehn Prozent der in den USA erzeugten Energie. Die Räder stehen ohnehin still: Mehr als die Hälfte des amerikanischen Ölkonsums wird in Fahrzeugmotoren verfeuert.
Neue Studien datieren den Zeitpunkt dieses Szenarios in die nahe Zukunft, warnt Rifkin, Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington, in seinem neuen Buch. Nach gerade einmal zehn Generationen, welche die Energieschätze unserer Erde hemmungslos plündern konnten, kündigt sich schon das Ende des fossilen Zeitalters an. Möglicherweise ist das Fördermaximum von Erdöl bereits im Jahr 2010 erreicht: Dann ist die Hälfte des globalen Förderpotenzials erschöpft, ab diesem Zeitpunkt nimmt nur noch der Mangel zu. Der Abbau von Ölschiefer ist unrentabel, und die Erdgasvorräte sind begrenzt. Knappheit, steigende Preise und unsichere Lieferungen angesichts der instabilen Lage im Nahen Osten werden die Folge sein.
Dem Ende des Kohlenwasserstoffzeitalters hält Rifkin seine Vision der "Wasserstoffwirtschaft" entgegen. Schon der Buchumschlag in glutfarbenem Orange verkündet die Botschaft: Wasserstoff ist der Brennstoff der Sonne, die saubere und unbegrenzte Energie. Bereits jetzt werden vier Milliarden Kubikmeter Wasserstoff jährlich produziert, allerdings vor allem mit Hilfe der umweltschädlichen Dampfreformierung aus Erdgas. Die hocheffiziente Elektrolyse scheitert bislang an den hohen Stromkosten; zum Durchbruch wird ihr erst die gebündelte Nutzung von Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme verhelfen, so Rifkins Hoffnung. Direkt vor Ort sollen die erneuerbaren Energien zur Produktion von Wasserstoff genutzt werden. Mittels kleiner, dezentraler Brennstoffzellen – mal transportabel, mal stationär – erzeugen Energiekonsumenten ihren Strom selbst, so viel sie brauchen und wann sie ihn brauchen. Eine saubere Sache: Übrig bleiben nur reines Wasser und Wärme, die sogar zum Heizen verwendet werden kann.
In Rifkins Vision wachsen die vielen Minikraftwerke, verbunden durch ein intelligentes Computernetz, zu einem leistungsfähigen weltweiten Energienetz zusammen. Millionen kleiner Brennstoffzelleninhaber werden den Strom vor Ort dann billiger erzeugen können als die Versorgungsriesen mit ihren großen Kraftwerken. Selbst Autos werden sich, als Mini-Kraftwerke, im Wasserstoffnetz nützlich machen können. Wenn eine Flotte von fünfzig Millionen mit Brennstoffzellen ausgerüsteter Fahrzeuge ans allgemeine Stromnetz angeschlossen wird – Autos stehen während 96 Prozent ihrer Lebenszeit ungenutzt herum –, produziert sie so viel Strom wie das gesamte derzeitige Versorgungsnetz der USA.
Ein amerikanischer Traum: jedes Auto unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft, Unabhängigkeit von den Golfstaaten und eine gerechte Weltwirtschaft von Washingtons Gnaden. Und nur darum geht es. Damit der Leser dies auch wirklich versteht, schickt ihn Rifkin in die Wüste, wo unter dem Sand die weltweit größten Reichtümer an Schwarzem Gold lagern. Wer die Bedeutung der politischen Verhältnisse im Nahen Osten für die globale Energieversorgung zutreffend einschätzen will, müsse den Islam aus der Binnenperspektive kennen. So beginnt Rifkin seine eigentlich verdienstvolle Einführung in die arabische Kultur. Doch sein aufklärerischer Eifer findet ein schnelles Ende. "Die muslimische Antwort auf die Globalisierung [ist] die Errichtung eines weltumspannenden islamischen Staates", erfährt der Leser schon in der Einleitung des entsprechenden Kapitels. Dass der offene Konflikt und der Kampf zwischen den Kulturen ohnehin nicht zu vermeiden sei, liest er im Schlusssatz. Trotz basisdemokratischen Wasserstoffs, so erkennt er bitter, muss selbst ein gesamtweltlicher Organismus eine Immunabwehr gegen Fremdkörper errichten.
Am Ende lässt der Prophet seine Jünger im Stich. Allein gelassen wie zuvor schreiten sie durch das irdische Tal der Tränen, der Finanzierungsprobleme, der ungelösten technischen Fragen und der politischen und ökonomischen Sach- und Machtzwänge. Auch das 16. Buch Rifkin kennt keine Erlösung.
Rifkin, der Prediger der letzten Tage der fossilen Hochkultur, kündet in seinem sechzehnten Buch vom Segen des Wasserstoffs für alles Irdische. Tief in die Gesellschaftsstruktur wird der Urstoff des Universums wirken: Zum ersten Mal in der Geschichte wird eine wirklich demokratische, dezentrale Form menschlichen Zusammenlebens denkbar. Selbst das Konzept des Nationalstaats wird disponibel, denn es ist eine Erfindung der Kohlenwasserstoffära. Rifkin, der "Intellektuelle und Querdenker" (Klappentext), kennt längst die Weichenstellung für die Zukunft: Die geopolitische Zersplitterung, welche die gesamte Ära der fossilen Brennstoffe prägte, wird im Wasserstoffzeitalter einer biosphärischen Politik weichen. Und etwas esoterischer gewendet: Wir werden uns selbst als Teil eines gesamtweltlichen Organismus erleben.
Immerhin: Für die Rohstoffkrise, die Rifkin daherkommen lässt wie einen Reiter der Apokalypse, sprechen handfeste Fakten. Versiegt der Fluss billigen Erdöls aus den unterirdischen Lagerstätten, geraten unsere Volkswirtschaften aus dem Tritt. Elektrischer Strom wird knapp, die Industrieproduktion wird heruntergefahren, und die Menschen frieren in ihren Häusern. Selbst die Mägen bleiben leer: Zwischen Acker und amerikanischem Supermarktregal verschlingt die Versorgung mit Lebensmitteln, dank hochmotorisierter Landwirtschaft und ressourcenzehrender Lebensmittelproduktion und Distribution, siebzehn Prozent der in den USA erzeugten Energie. Die Räder stehen ohnehin still: Mehr als die Hälfte des amerikanischen Ölkonsums wird in Fahrzeugmotoren verfeuert.
Neue Studien datieren den Zeitpunkt dieses Szenarios in die nahe Zukunft, warnt Rifkin, Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington, in seinem neuen Buch. Nach gerade einmal zehn Generationen, welche die Energieschätze unserer Erde hemmungslos plündern konnten, kündigt sich schon das Ende des fossilen Zeitalters an. Möglicherweise ist das Fördermaximum von Erdöl bereits im Jahr 2010 erreicht: Dann ist die Hälfte des globalen Förderpotenzials erschöpft, ab diesem Zeitpunkt nimmt nur noch der Mangel zu. Der Abbau von Ölschiefer ist unrentabel, und die Erdgasvorräte sind begrenzt. Knappheit, steigende Preise und unsichere Lieferungen angesichts der instabilen Lage im Nahen Osten werden die Folge sein.
Dem Ende des Kohlenwasserstoffzeitalters hält Rifkin seine Vision der "Wasserstoffwirtschaft" entgegen. Schon der Buchumschlag in glutfarbenem Orange verkündet die Botschaft: Wasserstoff ist der Brennstoff der Sonne, die saubere und unbegrenzte Energie. Bereits jetzt werden vier Milliarden Kubikmeter Wasserstoff jährlich produziert, allerdings vor allem mit Hilfe der umweltschädlichen Dampfreformierung aus Erdgas. Die hocheffiziente Elektrolyse scheitert bislang an den hohen Stromkosten; zum Durchbruch wird ihr erst die gebündelte Nutzung von Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme verhelfen, so Rifkins Hoffnung. Direkt vor Ort sollen die erneuerbaren Energien zur Produktion von Wasserstoff genutzt werden. Mittels kleiner, dezentraler Brennstoffzellen – mal transportabel, mal stationär – erzeugen Energiekonsumenten ihren Strom selbst, so viel sie brauchen und wann sie ihn brauchen. Eine saubere Sache: Übrig bleiben nur reines Wasser und Wärme, die sogar zum Heizen verwendet werden kann.
In Rifkins Vision wachsen die vielen Minikraftwerke, verbunden durch ein intelligentes Computernetz, zu einem leistungsfähigen weltweiten Energienetz zusammen. Millionen kleiner Brennstoffzelleninhaber werden den Strom vor Ort dann billiger erzeugen können als die Versorgungsriesen mit ihren großen Kraftwerken. Selbst Autos werden sich, als Mini-Kraftwerke, im Wasserstoffnetz nützlich machen können. Wenn eine Flotte von fünfzig Millionen mit Brennstoffzellen ausgerüsteter Fahrzeuge ans allgemeine Stromnetz angeschlossen wird – Autos stehen während 96 Prozent ihrer Lebenszeit ungenutzt herum –, produziert sie so viel Strom wie das gesamte derzeitige Versorgungsnetz der USA.
Ein amerikanischer Traum: jedes Auto unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft, Unabhängigkeit von den Golfstaaten und eine gerechte Weltwirtschaft von Washingtons Gnaden. Und nur darum geht es. Damit der Leser dies auch wirklich versteht, schickt ihn Rifkin in die Wüste, wo unter dem Sand die weltweit größten Reichtümer an Schwarzem Gold lagern. Wer die Bedeutung der politischen Verhältnisse im Nahen Osten für die globale Energieversorgung zutreffend einschätzen will, müsse den Islam aus der Binnenperspektive kennen. So beginnt Rifkin seine eigentlich verdienstvolle Einführung in die arabische Kultur. Doch sein aufklärerischer Eifer findet ein schnelles Ende. "Die muslimische Antwort auf die Globalisierung [ist] die Errichtung eines weltumspannenden islamischen Staates", erfährt der Leser schon in der Einleitung des entsprechenden Kapitels. Dass der offene Konflikt und der Kampf zwischen den Kulturen ohnehin nicht zu vermeiden sei, liest er im Schlusssatz. Trotz basisdemokratischen Wasserstoffs, so erkennt er bitter, muss selbst ein gesamtweltlicher Organismus eine Immunabwehr gegen Fremdkörper errichten.
Am Ende lässt der Prophet seine Jünger im Stich. Allein gelassen wie zuvor schreiten sie durch das irdische Tal der Tränen, der Finanzierungsprobleme, der ungelösten technischen Fragen und der politischen und ökonomischen Sach- und Machtzwänge. Auch das 16. Buch Rifkin kennt keine Erlösung.
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