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Raus aus der Sci-Fi-Ecke

KI ist inzwischen ein integraler Bestandteil unseres alltäglichen Lebens – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Deshalb sei es wichtig, zumindest die Grundlagen dieser Technologie zu verstehen, meint der Autor.

Der Autor ist studierter Kunsthistoriker, seit längerem Manager im IT-Bereich, Unternehmensberater und Gründer eines IT-Start-ups, also kein Wissenschaftler oder Softwareentwickler, wie er selbst betont. Er will mit diesem Buch verständlich machen, »warum künstliche Intelligenz für alle relevant ist und dass es sinnvoll ist, sich mit dem Thema persönlich etwas auszukennen«. Sein Stil ist sehr ausführlich, trotzdem lebendig. Komplizierte Formulierungen vermeidet Krüger, das Buch ist also für jeden verständlich. Zudem ist es als Nachschlagewerk perfekt geeignet, man kann die einzelnen Abschnitte unabhängig voneinander lesen – doch dadurch finden sich auch immer wieder Dopplungen, weil gewisse Sachverhalte an mehreren Stellen für den besprochenen Inhalt wichtig sind. Und schon vorweg: Wer einen wirklich vollständigen Überblick über den aktuellen Stand des Themas sucht, ist mit dem Buch gut bedient.

Die KI entmythologisieren

In den ersten Abschnitten schildert Krüger sehr anschaulich unter Angabe vieler wirtschaftlicher Daten, welche Bedeutung die Informationstechnik in Deutschland und der Welt aktuell hat. Er beschreibt, wie rasant sich die Digitalisierung im letzten Jahrzehnt entwickelt hat und vor allem wie künstliche Intelligenz (KI) der Bestandteil vieler digitaler Technologien geworden ist. Dazu führt er viele Beispiele an und stellt an einem Smartphone dar, welche Funktionen auf KI-Verfahren beruhen. Dadurch sei in den letzten Jahren »ein KI-Hype mit jeder Menge Dystopie und Hysterie in den Medien« entstanden. Mit seinem Buch will er die KI »entmythologisieren und aus der Sciencefiction-Ecke« herausholen.

Nach einem kurzen Überblick über die historische Entwicklung der KI-Forschung, den er mit Alan Turing beginnt und über Joseph Weizenbaums Software Eliza bis hin zu aktuellen Sprachassistenten wie Siri oder Alexa führt, skizziert Krüger knapp, welche Ideen hinter den aktuellen Technologien stecken, nämlich neuronale Netze und maschinelles Lernen. Der Erfolg dieser schon länger existierenden Ideen hielt erst im neuen Jahrtausend Einzug – zum einen dank der neuen Hardware, die mit immer schnelleren Prozessoren und größeren Speichern komplexere neuronale Netze ermöglicht, zum anderen beruht der Erfolg auf der immer größer werdenden und preiswert vorhandenen Menge an Trainingsdaten, welche die globale Internetgemeinde selbst erzeugt, indem sie Inhalte ins Internet hochlädt. Diese Daten braucht man für das maschinelle Lernen, ohne das die zu Grunde liegende Software wertlos ist  – was den »unstillbaren Datenhunger von Unternehmen« erklärt.

Ausführlicher geht Krüger auf die Grundlagen der natürlichen Sprachverarbeitung (kurz: NLP, natural language processing) und der Erzeugung von Grafiken und Filmen (mit Hilfe von GANs, generative adversarial networks) ein, die er für die bedeutendsten Entwicklungen der letzten Jahre hält. Wichtige Anwendungsbereiche heutiger KI-Algorithmen seien neben der Sprachsteuerung und Bilderkennung die Empfehlungsalgorithmen, die man von Anbietern wie Amazon oder Netflix kennt.

Ein anderes Thema, dem sich der Autor intensiv widmet, sind die Unterschiede von Computern und dem menschlichen Gehirn. Insbesondere geht er der Frage nach, ob man einer KI ein Bewusstsein zusprechen kann. Auf 75 weiteren Seiten diskutiert er – etwas zu ausführlich –, ob und wann eine KI dem menschlichen Gehirn nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen sein wird. Krügers Fazit: Trotz der erstaunlichen aktuellen KI-Software, die komplexe Probleme lösen kann, handelt es sich doch stets um eine eingeschränkte Art der Intelligenz. Diese kann zwar in einem bestimmten Bereich dem Menschen weit überlegen sein, ist aber von den allgemeinen Fähigkeiten eines Menschen weit entfernt.

200 Seiten, ein Drittel des Buchs, stellt der Autor unter die Überschrift »KI und Verantwortung«. Allein der Umfang zeigt, dass Krüger die gesellschaftspolitische Bedeutung von KI am Herzen liegt. Die Einsatzfelder der Technologie reichen schon heute in nahezu alle Bereiche des Lebens: von der Medien- und Unterhaltungsindustrie, Finanzwirtschaft, Biotechnologie und dem Bildungssystem über die öffentliche Verwaltung, Kommunikationsmedien bis hin zu Geheimdiensten. KI-Auswertungen werden Grundlage vieler Entscheidungen, etwa bei Bewerbungsprozessen oder Gerichtsurteilen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wer für die Programme verantwortlich ist und welcher Input zum Trainieren des neuronalen Netzes verwendet wurde. In den USA hat man beispielsweise KI-Programme zur Verhaltenserkennung eingesetzt, um die Aggression und Gewalt in Städten zu prognostizieren und einzudämmen. Dabei zeigte sich jedoch, dass die Software menschliche Vorurteile bezüglich Rasse oder Geschlecht reproduzierte, die – zunächst unerkannt – in den Trainingsdaten enthalten waren.

Weitere Probleme ergeben sich, wenn man KI bei der autonomen Steuerung von Fahrzeugen oder Waffensystemen einsetzt. Wer trägt die Verantwortung, wenn es um Menschenleben geht? Und wie soll sich eine KI verhalten, wenn sie vor einem moralischen Dilemma steht? Für die Entwicklung einer KI-Ethik hält es der Autor für unerlässlich, dass die Software transparenter wird. Die interne Struktur neuronaler Netze lässt bisher oft nicht erkennen, wie das Ergebnis zu Stande kommt. Um mehr Transparenz zu erreichen, hat eine Expertenkommission der EU Rückverfolgbarkeit, Erklärbarkeit und Kommunikation gefordert. Letzteres bedeutet, dass sich eine KI Menschen gegenüber als Maschine zu erkennen gibt. Bemühungen dazu gibt es außer in der EU auch in den USA sowie bei einigen IT-Unternehmen.

Viele weitere Themen aus dem ersten Teil des Buchs, etwa Roboter und die Veränderung der Arbeitswelt, Chatbots, KI in Gesundheitswesen und Medizin, Gesichtserkennung, Überwachungsstaat und Datenschutz, greift Krüger ebenfalls auf und handelt sie unter einem ethischen und gesellschaftlichen Blickwinkel ausführlich ab. Der Autor wirft dabei auch viele Fragen auf, die im Sinne eines Gesellschaftsvertrags gelöst werden müssen: »Wir sollten besser selber die Spielregeln festlegen, nach denen KI Entscheidungen fällt.« Eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema hält er für nötig. In diesem Buch finden man die dafür nötigen Fakten sowie Meinungen und Vorschläge, die dabei helfen, dem nachzukommen.

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