Engagiert in die Sackgasse
Die Weltklimakonferenz in Paris, auf der sich kürzlich knapp zweihundert Staaten auf ein Abkommen einigten, hat gezeigt, dass der Klimawandel mittlerweile als Tatsache angesehen wird. Das sah vor einigen Jahren noch anders aus und ist unter anderem das Verdienst von Wissenschaftlern wie Tim Flannery, der mit seinem 2006 erschienenen und äußerst einflussreichen Buch "Wir Wettermacher" auch einem breiteren Publikum bekannt wurde.
Im vorliegenden Werk widmet sich der ehemalige Zoologieprofessor neuen Verfahren, mit denen sich laut Untertitel "unsere Atmosphäre retten" lässt. Zunächst aber fasst er die drängendsten ökologischen Probleme zusammen: Versauerung der Meere, Artensterben, Zunahme der Extremwetterlagen oder Abschmelzen der Polkappen. Die wesentliche Ursache für all diese Phänomene liegt dabei in der Zunahme des Kohlendioxidgehalts der Luft von zirka 280 ppm (parts per million) in vorindustrieller Zeit bis zu zirka 400 ppm heute. Hauptsächlich verantwortlich dafür ist der Mensch, indem er massenhaft die fossilen Energieträger Erdöl, Kohle und Erdgas nutzt. Die Verbrennung von Kohle spielt in diesem Zusammenhang eine besonders große Rolle, zumal sie in Schwellenländern weiter ausgebaut wird. Allerdings zeichnet sich auch dort ein Umdenken ab, nachdem klar geworden ist, dass schon jetzt massive Umwelt- und Gesundheitsschäden auftreten.
"Weiter so" geht nicht
Flannery legt schlüssig dar, dass mit keinem der fossilen Energieträger eine nachhaltige Zukunft zu machen ist, und zeigt, auch das von vielen favorisierte Erdgas werde "uns nicht von unserem katastrophalen Weg in Richtung Worst-Case-Szenario des Klimawandels abbringen". Das gelte ebenso für die Atomenergie, der er jede Zukunftsfähigkeit abspricht.
Zudem erteilt der Autor dem so genannten Geoengineering eine Absage, das mit technischen Mitteln in natürliche Kreisläufe der Erde eingreifen will. Ablehnend steht er der Idee gegenüber, Schwefel oder Ruß in die Atmosphäre einzubringen, um der Erderwärmung entgegenzuwirken: Schwefel greife die Ozonschicht an und Ruß sei nachweislich krebserregend. Auch die Düngung der Meere mit Eisen sieht er äußerst kritisch, da mit immensen Nebenwirkungen zu rechnen wäre: giftige Algenblüten, Sauerstoffmangel in der Tiefsee, Verlust der Artenvielfalt beim Plankton.
Offenbar glaubt Flannery nicht daran, dass Einzelstaaten in der Lage sind, ihren Kohlendioxidausstoß einzudämmen. Und die alternativen Energien brauchen ihm zufolge noch Zeit, um weltweit konkurrenzfähig zu werden. Daher sucht er neben Emissionsminderung und Geoengineering nach einem "dritten Weg" des Klimaschutzes. Diesen meint er unter anderem in der Kohlendioxidabscheidung zu finden, kurz CCS (Carbon Capture and Storage) genannt. Die biologische Variante (Bio-CCS) lautet, mittels Photosynthese den Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu ziehen, um ihn in Pflanzenkohle, Wäldern oder Kunststoffen zu binden. Die chemische Variante sieht dagegen vor, das CO2 mit künstlichen Verfahren aus der Atmosphäre zu entfernen, beispielsweise über die Verwitterung von Gestein, und es anschließend zu deponieren. Allerdings, schreibt Flannery, sei Bio-CCS relativ ineffizient, und die chemischen Verfahren schieden vorerst aus, da sie sehr energieaufwändig seien und ihrerseits CO2 freisetzten.
Entsorgung nach unten
Unter "drittem Weg" versteht der Autor weiterhin jene CCS-Methode, bei der Kohlendioxid aus (Kraftwerks-)Abgasen abgeschieden, komprimiert, verflüssigt und in Tiefengestein verpresst wird. Freilich weiß derzeit niemand, wie lange sich CO2 auf diese Art speichern lässt und wie dicht die Lagerstätten auf Dauer sind. Zudem kann dieses Verfahren leichtere Erdbeben auslösen und das Grundwasser versalzen. Geradezu gruselig wird es, wenn Flannery sich mit Vorschlägen auseinandersetzt, das Gas tief unter der Meeresoberfläche oder im Eis der Antarktis zu deponieren. Nichts davon ist ausgereift und die Risiken völlig offen, und so heißt es auch hier: "Die Forschung in diesem Bereich steht […] erst am Anfang" und "die Bedingungen bedürfen weiterer Untersuchungen".
So schält sich beim Lesen nach und nach das Fazit heraus, dass jede von Flannery diskutierte Methode untauglich ist, den Klimawandel zu verlangsamen, da sie entweder mit zu großen Risiken oder aber mit unkalkulierbaren Gefahren verbunden wäre. Spätestens jetzt wird klar, dass der Untertitel des Buchs besser lauten sollte "Wie wir mit neuen Technologien unsere Atmosphäre nicht retten können".
Flannery zeigt mit seinem Werk unfreiwillig, dass die Annahme absurd ist, man könne mit heutiger Technik jene Umweltschäden beheben, die erst durch die Technik entstanden sind. Diese Annahme ist gefährlich, da sie impliziert, dass wir im Grunde so weitermachen können wie bisher, wenn nur entsprechende Kompensationsverfahren zur Verfügung stehen. Mit seiner einseitigen Fokussierung auf vermeintliche technische Lösungen des Klimaproblems versperrt Flannery den Blick auf die wirklichen Ursachen des Klimawandels. Diese liegen maßgeblich in einem expansiven Wirtschaftsmodell und dem damit verbundenen Raubbau an der Natur. Eine Abkehr von diesem Weg erfordert mehr als nur technische Innovationen, nämlich eine radikale Veränderung sowohl unseres Handelns als auch unserer "mentalen Infrastruktur" (Harald Welzer).
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