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Mehr als die Summe ihrer Gene

Der Meeresbiologe Carl Safina plädiert dafür, Kultur nicht als rein menschliche Errungenschaft zu betrachten, und präsentiert erstaunliche Beispiele aus dem Tierreich.

Kultur wurde lange als etwas typisch Menschliches verstanden. Doch wie lässt sich dann erklären, dass Kohlmeisen voneinander lernen, Folienverschlüsse von Milchflaschen zu öffnen, was in Großbritannien schon in den 1920er Jahren erstmals beobachtet wurde? Oder dass Japanmakaken ihren Jungen über Generationen hinweg beibringen, Süßkartoffeln in Meerwasser zu waschen, nachdem ein Weibchen aus der Gruppe damit begonnen hatte?

Nur durch die Annahme, dass auch Tiere eine Art Kultur besitzen, schreibt der Meeresbiologe und Autor Carl Safina in seinem neuen Buch, mit dem er gleichzeitig für den Artenschutz wirbt. Den vieldeutigen Begriff »Kultur« definiert er dabei als »sozial erlernt«: Wissen, auf das man nicht instinktiv zurückgreifen kann und das dementsprechend nicht in den Genen verankert ist. Vor diesem Hintergrund wirken viele Beispiele, die er für seine Argumentation nutzt – etwa, dass manche Schimpansenpopulationen Nüsse mit Steinen aufbrechen, andere dagegen nicht und sich so bestimmte Gruppenidentitäten herausbilden –, schlüssig. Unterhaltsam und lehrreich schildert Safina auch die vielfältigen und zum Teil komplexen Methoden, mit denen manche Tiere auf Nahrungssuche gehen, um ihre Partner werben oder sich um ihren Nachwuchs kümmern.

Wissenschaftlich fundierter, teilweise zu ausschweifender Erzählstil

Das Buch kommt im Stil eines Reiseberichts daher, vermischt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und philosophischen Überlegungen. Vielleicht gerät es deshalb an manchen Stellen zu ausschweifend. Anders als Titel und Struktur des Buchs vermuten lassen, konzentriert sich Safina nicht auf einen bestimmten Aspekt des Sozialverhaltens von Pottwalen, Hellroten Aras und Schimpansen, sondern geht unter anderem auch auf die Geschichte ihrer Bejagung ein.

Spannend wäre es gewesen, wenn der Autor stattdessen mehr darüber geschrieben hätte, wo die Grenzen des kulturellen Verhaltens von Tieren liegen. Zudem beziehen sich viele Erkenntnisse, die Safina präsentiert, auf bekanntermaßen lernfähigen Arten. Andere, wie beispielsweise Hummeln, umreißt er zwar auch, fasst sich dabei aber recht kurz.

Beide Schwächen mögen der Tatsache geschuldet sein, dass es bei vielen Tieren noch an Wissen über ihre Fertigkeiten mangelt. Kulturelle Diversität ist, wie Safina schreibt, ein Aspekt der Biodiversität, der erst vor Kurzem stärker in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. Was gleichzeitig bedeutet, dass es in Zukunft noch viel differenzierter Forschung auf diesem Gebiet bedarf.

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