Machtverhältnisse der Zukunft
Ein Blick auf die Liste der Länder und Regionen, die der britische Politikjournalist Tim Marshall für seine Beschreibung der geografischen Machtverhältnisse im 21. Jahrhundert gewählt hat, überrascht zunächst nicht: Australien kommt eine Schlüsselstellung als Anrainer des erstarkenden asiatischen Raums zu; zweifelsohne haben die politischen Verhältnisse im Ölstaat Saudi-Arabien globale Fernwirkungen, und ebenso klar dürfte sein, dass der Weltraum zunehmend in den Fokus der mächtigen Nationen gerät – der jüngst erprobte Abschuss eines ausgedienten Satelliten durch Russland hat dies eindrücklich vor Augen geführt. Gleichwohl gibt Tim Marshall dem Zeitungswissen eine substanzielle Grundlage und stellt spannend dar, wie sich diese Verhältnisse historisch entwickelt haben und was daraus für die Zukunft folgen könnte.
Von den Persischen Kriegen bis zu den Krisen der Zukunft
In seiner Beschreibung beginnt der Autor dafür ganz am Anfang: etwa mit der britischen Besiedlung Australiens; den Stammesverhältnissen und historischen Handelswegen in Saudi-Arabien oder den Persischen Kriegen in Griechenland. Ausgangspunkt für seine Schilderungen ist dabei in erster Linie eine naturräumliche Charakterisierung der Regionen, die sich fast schon militärstrategisch liest: Wo sind schiffbare Flüsse für eine Besiedlung, wo ist Landwirtschaft möglich, welche Gebirge schützen vor Invasionen? Das ist sicherlich berechtigt, an diesen Stil muss man sich allerdings erst einmal gewöhnen. Besonders stechen dabei die Kapitel heraus, die sich dem Bereich des Zweistromlands widmen und ein wenig wie das Tagebuch Donald Rumsfelds klingen, quasi ein »Handbuch zur Invasion«.
Für jede Region nimmt die historische Beschreibung einen Großteil des Kapitels ein und bietet dem Leser ein tieferes Verständnis. Das auf jeweils 30 bis 40 Seiten unterzubringen, ist dem Autor gut gelungen, macht das Buch allerdings durch seine hohe Faktendichte nicht gerade zu einer leichten Bettlektüre.
Es verwundert ein wenig, dass China kein eigenständiges Kapitel erhält und nur aus der Perspektive anderer Staaten indirekt berücksichtigt wird. Im Untertitel heißt es: »10 Karten erklären die Politik von heute und die Krisen der Zukunft«. Das ist ein wenig irreführend, würde man doch erwarten, dass sich die Darstellung an thematischen Karten orientieren würde. Bei den erwähnten Karten handelt es sich jedoch schlicht um topografische oder politische Karten – in dieser Hinsicht ist jeder Schulatlas besser ausgestattet. Das schmälert jedoch nicht den Erkenntnisgewinn und tut der grundsätzlichen Qualität des Buchs keinen Abbruch, ist nur eben nicht ganz stimmig.
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