Zwischen Sizilien und den Alpen
»Dass sich alles ändern muss, damit alles so bleibt, wie es ist«, dieser berühmte Satz aus Tomasi di Lampedusas Roman »Der Leopard« eignet sich gut als Fazit dieses Buchs. Sein Autor Volker Reinhardt sucht, beginnend im 11. Jahrhundert, nach der italianità, dem Wesen Italiens. Aber gibt es das überhaupt und wenn ja, welche beständigen Merkmale weist es auf?
Reinhardt richtet seinen Blick nicht nur auf den Roman »Der Leopard«, sondern auch auf dessen Verfilmung, die der Regisseur und bekennende Marxist Luchino Visconti in den 1960er Jahren umsetzte. Luchino, der wie Lampedusa hochadliger Herkunft war, parodierte in seinem Film den Niedergang der Aristokratie und den Aufstieg eines schäbigen Bürgertums – Italien sei zwischen diesen Mächten immer schon zerrieben worden.
Im Dienst der Potentaten
Reinhardt zufolge sitzen sowohl Roman als auch Film einem landeseigenen Mythos auf: Italien sei seit einem Jahrtausend immer nur Opfer von Fremdherrschaften gewesen, gegen die sich einige heroische Gestalten der Geschichte märtyrerhaft, aber vergeblich aufgelehnt hätten. In Wirklichkeit, so der Autor, seien die diversen italienischen Herrschaftsformen durchaus autonom und selbstbewusst gewesen, was sich in der Kultur widerspiegele.
Von dieser Überlegung ausgehend, schildert der Autor die Kulturgeschichte Italiens, die er einbettet in das jeweilige politische Geschehen. Dabei spielen selbstredend auch die Fremdherrschaften eine große Rolle, aber keineswegs eine dominante. Kunst – vornehmlich die Malerei, aber auch die Architektur – stand in Italien überwiegend im Dienst der jeweils herrschenden Potentaten, ob Kirche, Adelscliquen oder ausländische Mächte, wie aus dem Buch hervorgeht.
So fertigte der italienische Maler Michelangelo Cerquozzi (1602-1660) ein Gemälde an, das den Volksaufstand unter Führung des Fischers und Händlers Masaniello 1647 in Neapel darstellt. Cerquozzi arbeitete im Auftrag eines römischen Prälaten und führte auf seinem Bild die vermeintliche Brutalität und Dummheit des einfachen Volks vor. Beispielsweise zeigt das Gemälde einen prall gefüllten Markt, obwohl die Bürger tatsächlich oft unter Entbehrungen und Hunger litten. Masaniello ist, in der Pose des berühmten Reiterstandbilds von Mark Aurel, als jemand dargestellt, der auf einem müden Klepper nur Gewalt und Zerstörung bringt. An solchen und vielen anderen kulturhistorischen Beispielen schildert Reinhardt die politische und soziale Geschichte Italiens und seiner verschiedenen Herrschaften. Heraus kommt ein buntes Mosaik, das unter anderem die politische Rolle von Heiligen wie Franz von Assisi erläutert, die Auswirkungen der Pest- und Hungerkatastrophen thematisiert, die Funktion der Hofkultur in der Renaissance erläutert und die Entstehung der Oper im Barock behandelt.
Das Buch ist mehr eine politische Geschichte der Kultur als eine Kulturgeschichte. Der Titel »Die Macht der Schönheit« erscheint verfehlt, weil das Werk gerade nicht belegt, dass das Wesen Italiens die Schönheit sei. Letztlich zeigt Reinhardt, dass ein solches Wesen gar nicht existiert. Gegen Ende, in den Abschnitten über das 19. und 20. Jahrhundert, wirkt das Buch zunehmend gehetzt, da der Autor atemlos vom Futurismus zur Industriearchitektur von Fiat, vom Neorealismus im Film bis zur Mode und zum Fußball eilt. Als ergänzende historische Reiselektüre lässt sich der Band dennoch empfehlen, speziell Kulturtouristen.
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