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Entzauberung eines vermeintlichen Wunderhormons

Testosteron macht männlicher und hilft gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer oder Diabetes? Frauen mit höherem Testosteronspiegel sind gieriger und misstrauischer? Mit solchen Mythen räumt der Epidemiologe Robin Haring im vorliegenden Buch auf.

Die Wahrheit ist, wie so oft, vielschichtiger und komplizierter. Es stimme zwar, schreibt Haring, dass Männer mit niedrigem Testosteronspiegel ein höheres Risiko tragen, zuckerkrank zu werden oder Herz-Kreis-Störungen zu erleiden. Diese Korrelationen machten Testosteron aber noch lange nicht zur Ursache dieser Erkrankungen. Bei Ratten beispielsweise, bei denen sich ein Diabetes manifestierte, sank der Testosteronspiegel erst nach der Diagnose. Und künstliche Testosterongaben senken laut klinischer Versuche nicht das Herz-Kreislauf-Risiko.

Daher, schreibt Haring, seien die Verheißungen der Testosterontherapien mit Vorsicht zu genießen. Diese könnten zwar bei manchen Männern die Libido verstärken, falls diese als mangelhaft empfunden wird, jedoch sei ein hoher Testosteronwert noch lange kein Garant für starken Geschlechtstrieb.

Hormonelle Talfahrt

Die Symptome der so genannten männlichen Wechseljahre, die mit Testosteronabnahme einhergehen (verminderte Vitalität, Schlafstörungen, Libido- und Potenzverlust, reduzierte Muskelmasse und einiges mehr), wurden früher schlicht als Begleiterscheinungen des Alters abgetan. Heute sieht die Pharmaindustrie laut Haring darin eine Vermarktungschance für Testosterontherapien, deren Effekte und Nebeneffekte allerdings nicht geklärt seien.

Der reißerische Buchtitel und der populistische Einstieg ins Werk lassen eine eher seichte, emotionsgeladene Lektüre erwarten. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Haring konfrontiert die Leser vielmehr mit einer Analyse medizinischer, psychologischer und soziologischer Studien rund um das Thema Testosteron. Dabei betrachtet er die wissenschaftlichen Ergebnisse mit dem kritischen und differenzierten Blick eines Fachmanns.

Haring scheut nicht davor zurück, komplizierte Zusammenhänge zu erläutern; unter anderem gibt er seinen Lesern einen Schnellkurs in Statistik und wissenschaftlichen Methoden. Dank seiner recht lockeren, unterhaltsamen Schreibe kommt der Stoff aber nicht trocken daher. Als Leser fühlt man sich kompetent informiert.

Harings Werk vermittelt Wissenschaft sachgerecht, ohne die Leser zu langweilen oder zu überfordern. Es bleibt die Frage, warum Autor und Verlag den Inhalt hinter einem so oberflächlichen Titel verstecken.

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