Kosmologisches und Esoterisches
Eines Abends beobachtete der Astronom Trinh Xuan Thuan vom Gipfel des Mauna Kea (Hawaii) aus Zwerggalaxien. Um deren Licht aus dem Kosmos einzusammeln, öffneten sich die makellos weißen Kuppeln aller 13 Teleskope der Sternwarte zugleich. Ein großartiger Moment, den der Autor in diesem Buch sehr schön beschreibt, wenn seine »wissenschaftliche Reise von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen« beginnt.
Drei Nächte verbrachte er dort oben auf dem 4000 Meter hohen Vulkangipfel, einem der besten Plätze der Welt, um den Himmel zu beobachten. Alle sechs Monate lädt die NASA Astronomen ein, sich mit Forschungsprojekten zu bewerben, für die ein Teleskop benötigt wird. Trinh Xuan Thuan bekam den Zuschlag für sein Thema, bei dem es um die Entstehung und Evolution von Galaxien geht. Sein Schwerpunkt: die Beobachtung kleiner, massearmer Galaxien, die unter dem Einfluss der Gravitation verschmelzen und schließlich, so der Astrophysiker, »prächtige Galaxien wie die Milchstraße« bilden.
Störung der Götter
Die Bevölkerung auf Hawaii ist allerdings deutlich weniger begeistert als die Wissenschaftler, wenn immer leistungsstärkere Teleskope gebaut werden, denn die Technik stört ihrer Ansicht nach den heiligen Berg, den Wohnort ihrer Götter. »Aber die Astronomen zahlen dem Gott des Himmels auf ihre Weise Tribut: Die Betrachtung des Universums hat eine hochspirituelle Dimension.« Mit diesem Satz offenbart der Autor gleich auf den ersten Seiten sein Weltbild, denn er verfolgt ein noch größeres Projekt als die Erforschung der Zwerggalaxien: Er will Kosmologie und Buddhismus zusammenbringen, Astrophysik und Metaphysik verbinden. Das sollte man wissen, bevor man sich auf die Lektüre einlässt, denn diese Haltung wird manche Leser begeistern, andere hingegen abschrecken.
Bevor Thuan jedoch auf die großen Fragen zur Entstehung des Universums und des Lebens eingeht, erläutert er die physikalischen Hintergründe. Gut verständlich erklärt er zunächst das »Wunder« Licht, das – selbst unsichtbar – die Geschichte und die Beschaffenheit des Universums sichtbar macht. Da der Autor der Chronologie der Nacht folgt, beginnt seine Reise mit dem Sonnenuntergang und der Frage, weshalb die Sonne sich dabei von blendend weiß über glühend gelb zu orange und schließlich satt rot verfärbt, wenn sie versinkt.
Bald danach nimmt er uns mit zum Mond, dem »Kind der Erde«; wir reisen mit ihm zu den festen Planeten wie Merkur und zu den gasförmigen wie Jupiter, auf dem wir nicht landen könnten, weil wir bei dem Versuch tausende Kilometer tief in die Gashülle einsinken würden. Der Autor stellt uns Asteroiden vor, erklärt Neutrinos und widmet sich schwierigen Zusammenhängen, etwa warum Forscher davon ausgehen, dass es Dunkle Materie und Dunkle Energie gibt. Er erläutert die Schwarzen Löcher, die Roten Riesen und die Weißen Zwerge und landet schließlich beim Multiversum, also der These, dass unser Universum nur eines von vielen ist.
Gegen Ende des Buchs geht es dann ums Ganze – hier stellt der Autor die Fragen nach dem Beginn des Kosmos und der Genese des Lebens. Thuan kann sich nicht vorstellen, dass »die ganze Schönheit, Harmonie und Einheit der Welt einzig Produkt eines Zufalls« seien: »Ich möchte wetten, dass dieser Feinabstimmung ein Schöpfungsprinzip zugrunde liegt.« Er meine damit keinen bärtigen Gott, wie er augenblicklich versichert, sondern verweist auf ein »pantheistisches Prinzip, das in Naturgesetzen seinen Ausdruck findet«. Der Autor nennt in diesem Zusammenhang Spinoza und zitiert Einstein: »Die Idee eines persönlichen Gottes ist ein anthropologisches Konzept, das ich nicht ernst nehmen kann … Meine Überzeugungen sind denjenigen Spinozas verwandt: Bewunderung für die Schönheit und Glaube an die logische Einfachheit der Ordnung und Harmonie, welche wir demütig und nur unvollkommen fassen können.« Thuan wird noch deutlicher, wenn er bekennt, dass für ihn das menschliche Bewusstsein und die kosmische Evolution »vorprogrammiert« seien.
Ein Buch also über das, was man über den Kosmos weiß, was man mutmaßt und was man nicht wissen, sondern nur glauben kann. Ergänzt wird dieses erzählende, schön gestaltete Sachbuch durch »Exkurse«, in denen sich Poeten, Schriftsteller, Fotografen und Maler der ästhetischen Dimension des Himmels, der Sterne und der Unendlichkeit widmen.
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