Homo rapiens
Der Mensch als Selbstzerstörer? Als Vernichter der gesamten Biosphäre? Steht es wirklich so schlimm; sind wir nichts weiter als eine Plage für die Erde?
Astrophysiker Harald Lesch, Moderator der ZDF-Reihe "Leschs Kosmos", Autor und Mitbetreiber des Youtube-Channels "Urknall, Weltall und das Leben", hat ein neues Buch geschrieben und versucht sich an einer ökologische Bestandsaufnahme. Er wagt einen Blick in die Zukunft des Planeten und damit auch in die der Menschheit.
Der Buchtitel ist zwar provokant angelehnt an Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" (2012), der Inhalt kommt jedoch weniger populistisch daher. Lesch möchte, dass seine Leser nachvollziehen können, wie es zu den heutigen ökologischen Problemen gekommen ist – und dabei auch komplexe Zusammenhänge verstehen. Hierfür setzt er sehr früh an, genau genommen beim Urschlamm; beim Übergang also von unbelebter zu belebter Materie. Von dort an arbeitet er sich langsam vor über Cyanobakterien (jene Mikroben, die die Photosynthese entwickelten), frühe Sumpfpflanzen und so weiter bis hin zum Auftauchen des Homo sapiens vor etwa 160.000 Jahren.
Am Ast sägen, auf dem man sitzt
Sehr detailliert beschreibt Lesch sodann, wie Fischerei, Acker- und Städtebau den Planeten verändern und schließlich ins Zerstörerische umschlagen. Heute vermehrt sich die menschliche Spezies rasant und besiedelt auch isolierteste Gebiete, die einst als lebensfeindlich galten. Mit großer Geschwindigkeit werden Wälder gerodet und Agrarflächen geschaffen, steigen Luft- und Wasserverschmutzung an. Tierarten verlieren ihren Lebensraum und sterben aus, Meere werden leergefischt. Die antarktischen Eismassen schmelzen und die endgültige Ausbeutung unserer Bodenschätze naht. Der Mensch wird für seine Umwelt und sich selbst zur größten Gefahr.
Angesichts all dessen diskutieren Forscher, ob eine neue geologische Epoche angebrochen ist, das Anthropozän. Klar scheint, dass wir so nicht weiter machen können und ein Umdenken stattfinden muss. Dies meint Lesch selbst, aber auch die Wissenschaftler, die Beiträge zu seinem Werk geliefert haben, sowie die Interviewpartner, deren Einschätzungen er für das Buch einholte. Unter anderem lässt er Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zu Wort kommen, der sich zum Widerspruch zwischen der christlichen Arroganz gegenüber der Natur und einem nachhaltigen Lebensstil äußert. Hartmut Rosa von der Friedrich-Schiller-Universität Jena wirft einen kritischen Blick auf den "Beschleunigungstotalitarismus" unserer Gesellschaft, und Klimaforscher Mojib Latif geht auf den menschengemachten Klimawandel ein.
Viel reden, wenig handeln
Lesch gelingt es zu verdeutlichen, welche Konsequenzen menschliches Dasein und Handeln hat. Er zeigt auf, wie viel eigentlich passieren müsste, um weitere Naturkatastrophen, Hungersnöte und anhaltendes Artensterben zu verhindern – und wie wenig auf politischer, gesellschaftlicher und privater Ebene tatsächlich geschieht. Allerdings beschreibt er viel Bekanntes und verliert sich teils sehr in Details, was die Lektüre mitunter langatmig macht. Er stellt klar, dass es elementar wichtig ist, längst bekannte Tatsachen immer wieder neu zu reflektieren, um Handlungsanstöße zu geben. Ganz nebenbei vermittelt Lesch umfangreiche naturwissenschaftliche Kenntnisse, indem er seine Ausführungen mit biologischen, chemischen und physikalischen Ergänzungen spickt.
Der Autor fordert dazu auf, sich für die Erde als unsere Heimat zu interessieren. Wichtig sei, einen emotionalen Zugang dazu zu finden, weil dies die Handlungsbereitschaft verstärke. Das Buch macht einmal mehr die Anfälligkeit der Biosphäre bewusst – und wie wichtig es ist, nach ethischen Grundsätzen zu handeln, wenn wir und unsere Umwelt eine Zukunft haben wollen.
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