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»Die mutigen Frauen Irans«: Wie weit würden Sie gehen, um Ihre Freiheit zu verteidigen?

15 iranischstämmige Frauen erheben die Stimme gegen die Islamische Republik. Sie schildern eindrucksvoll ihre Erlebnisse und erklären, was der Westen tun kann, um sie zu unterstützen.
Eine Frau mit Gasmaske bei einer Demonstration gegen das Regime im Iran.

»Wie weit würde ich gehen, um meine Rechte zu verteidigen?« Diese Frage habe ich mir beim Lesen des beeindruckenden Buchs häufig gestellt. Ich bin in Deutschland geboren: Mich frei bewegen zu können, selbst zu entscheiden, wie ich mich kleide oder mit wem ich mich treffe – all das ist für mich selbstverständlich. Doch nicht alle Menschen haben dieses Privileg. Auch wenn das keine neue Erkenntnis ist, verleitet die Lektüre des Buchs »Die mutigen Frauen Irans« dennoch zum Nachdenken. Dieses ist wegen der landesweiten Proteste entstanden, die im September 2022 begannen, nachdem eine junge Frau, Jina Mahsa Amini, von der iranischen Sittenpolizei aufgegriffen und mutmaßlich zu Tode geschlagen wurde.

Der Titel spiegelt den Inhalt treffend wider: Das Werk besteht aus 15 Kapiteln, die von je einer Iranerin (oder einer iranischstämmigen Frau) verfasst wurde. Auch wenn die ausgewählten Frauen vieles eint, haben sie teilweise vollkommen verschiedene Hintergründe: Man findet berühmte Schauspielerinnen (Nazanin Boniadi), Nobelpreisträgerinnen (Shirin Ebadi), aber auch Angehörige ethnischer Minderheiten, die im Iran diskriminiert werden, wie »Ani« (eine Kurdin, die anonym bleiben möchte) oder die Belutschin Fariba Balouch.

Die Autorinnen haben für das Buch viel riskiert: Selbst jene, die im Exil leben, wurden für ihren Widerstand in der Vergangenheit bereits von iranischen Kräften angegriffen. So konnte die US-Regierung 2021 einen Entführungsversuch der in New York lebenden Aktivistin Masih Alinejad vereiteln, den der iranische Geheimdienst geplant hatte. »Wir im Exil lebenden Iranerinnen müssen sehr wachsam sein, denn wir wissen nie, wer uns Böses wünscht«, schreibt Alinejad.

Andere Verfasserinnen, etwa die Journalistin Narges Mohammadi, befinden sich aktuell im berüchtigten Evin-Gefängnis im Iran. Ihr Beitrag für das Buch wurde heimlich aus ihrer Zelle geschmuggelt: Sie schrieb ihre Worte auf Toilettenpapier und gab sie Mitgefangenen mit, die entweder auf Hafturlaub entlassen oder im Krankenhaus behandelt wurden. Mohammadi beschreibt darin sowohl ihre friedlichen Kampagnen für Menschenrechte, die sie ins Gefängnis gebracht haben, als auch die furchtbaren Haftbedingungen: die sexuellen Übergriffe durch Wärter, die »technischen Verhöre« oder aber das mangelnde Trinkwasser im abgelegenen Qarchak-Gefängnis.

Das Buch listet einige Gräueltaten des iranischen Regimes auf, das seit 1979 an der Macht ist: die Verfolgung und Ermordung politischer Gegner, die Überwachung von Bürgerinnen und Bürger sowie die gesetzliche Herabwürdigung von Frauen. Laut Gesetz ist eine Frau im Iran nur halb so viel Wert wie ein Mann. Vor Gericht zählt ihre Stimme nur halb so viel, wenn eine Frau stirbt, zahlt die Lebensversicherung nur die Hälfte, gleiches gilt beim Erbrecht und so weiter. Gegen diese Ungerechtigkeiten kämpfen die 15 Autorinnen – für diese Bemühungen wurde eine von ihnen, die Menschenrechtsanwältin Shirin Ebadi, 2003 als erste muslimische Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Dennoch sah sie sich angesichts der Morddrohungen und drohenden Gefängnisstrafen gezwungen, ihre Arbeit von London aus fortzusetzen.

Die beiden Journalistinnen Natalie Amiri und Düzen Tekkal lassen aber auch unbekannte Personen zu Wort kommen, die für ihre eigene Sicherheit teilweise anonymisiert wurden. So schildert eine junge Frau unter dem Pseudonym »Leyli«, was sie dazu bewegt hat, sich den Protesten anzuschließen: »Wir wissen, dass wir, wenn alles so weitergeht, keine Zukunft haben«, schreibt sie. Für ihren Widerstand hat sie alles geopfert: ihre Arbeit, viele Beziehungen zu Menschen, deren politische Einstellung sie ablehnt, Geld sowie ihre »Ruhe und mein gesunder Geist«. Ihre Erzählung geht unter die Haut, sie schildert ihre Bedenken, ihre Ängste, spricht von den Diskussionen mit ihren Eltern – die sie, trotz aller Gefahren, bei ihrem Widerstand unterstützen.

»Das iranische Volk sucht niemanden, der es rettet. Es will nur, dass die internationale Gemeinschaft aufhört, das Regime zu retten«Nazanin Boniadi

Auch wenn die Geschichten der mutigen Frauen voller Schicksalsschläge stecken, voller Gräueltaten, die ihnen oder anderen angetan wurden – sie alle eint die Hoffnung. Jede der Frauen hofft und glaubt an ein baldiges Ende der Schreckensherrschaft, an einen freien Iran, in dem alle Menschen gleichberechtigt und ohne Angst leben können. Und der Westen kann dabei helfen, erklären die Autorinnen. Nicht, indem er aktiv vor Ort eingreift. Aber indem er sich vermehrt für Menschenrechte einsetzt, die Revolutionsgarde auf die Terrorliste setzt oder Staatsoberhäupter und Regimebeamte sanktioniert. »Das iranische Volk sucht niemanden, der es rettet. Es will nur, dass die internationale Gemeinschaft aufhört, das Regime zu retten«, schreibt die Schauspielerin und Aktivistin Nazanin Boniadi.

Die Herausgeberinnen Amiri und Tekkal äußern sich selbst bloß in einem kurzen Vorwort. Schade eigentlich, denn die zwei Journalistinnen haben sicherlich auch vieles zu erzählen: Zum Beispiel war Amiri vier Jahre lang als Auslandskorrespondentin für die ARD in Teheran tätig. Außerdem wäre es für Leserinnen und Leser ohne viel Vorwissen zur Geschichte Irans hilfreich, eine kurze Einleitung und Einordnung der Geschehnisse zu erhalten. Auf der letzten Seite hat der Verlag zwar eine einseitige »Zusammenfassung« gegeben, die erklärt, dass 1979 der damals herrschende Schah gestürzt und die Islamische Republik durch den geistlichen Führer Ruhollah Chomenei gegründet wurde. Doch auf diese Erklärung stößt man erst nach der Lektüre und sie fällt zu kurz aus. Dennoch lohnt sich die Lektüre dieses spannenden Buchs voller inspirierender Persönlichkeiten durch und durch.

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