»Die Mutter der Erfindung«: Mit Büstenhalter-Technik zum Mond
Warum haben es einige tolle Innovationen so schwer, sich durchzusetzen und die Welt schnell besser zu machen? Wieso verschwinden viele Ideen oft jahrzehntelang in den Schubladen der Erfinder? Schon seit 100 Jahren hätten elektrische Autos leise und ohne Abgase durch die Straßen surren können. Selbst ein scheinbar so simpler Rollkoffer brauchte erstaunlich lange bis zur Realisierung.
Die schwedische Journalistin Katrine Marçal berichtet mit großartiger Erzählkunst von den Gründen, warum es einige Erfindungen so schwer haben, bis es dann doch irgendwann klappt. Oft liegt es nicht an der Erfindung an sich, sondern weil Frauen die Ideen hatten, weil die Technik als »unmännlich« galt oder weil die Erfinder die »falsche« (weibliche) Zielgruppe im Sinn hatten.
Schleppen als Männlichkeitssymbol
Gepäck zu tragen galt als männlich – egal wie schwer es war. Auch wenn Rollen unter Gepäckstücken als Trageerleichterung schon lange erfunden waren, konnte sich das Produkt nicht durchsetzen. Selbst als die NASA ihre Astronauten ins Weltall schickte, mussten diese ihr Gepäck noch selbst schleppen. Erst seit Kurzem hat sich das Bild des Managers im Anzug und Trolley durchgesetzt, der nun sogar eine freie Hand für digitale Meetings mit dem Smartphone hat.
Eine Umdeutung war auch für das E-Auto nötig. Die abgasfreie Alternative hätte schon lange auf unseren Straßen fahren können, die Technik scheiterte allerdings vor 100 Jahren – aber nicht an der damals noch schlechten Batterietechnik. Die Fahrzeuge wurden zu einseitig als weibliches Fortbewegungsmittel angepriesen und galten daher als »Weiberwagen«. Um die an den Mann zu bringen, brauchte es, wie die Autorin sagt, einen ganz schön langen Atem: »Leute wie Musk haben lange gebraucht, um diese Technologie wiederzuentdecken und dann auf eine männlichere Weise zu branden: Heute fahren mehr Männer als Frauen E-Autos. Unsere Wahrnehmung von Geschlecht verändert sich. Es war ein Irrtum zu sagen, diese Autos seien feminin, undenkbar für einen Mann, so etwas zu fahren. Und heute ist es genau andersrum.«
Einen weibischen Aspekt wollte auch die NASA um jeden Preis vermeiden, nicht nur bei den Rollkoffern. Denn die besten Entwickler der Anzüge für Weltraumfahrer waren Hersteller von (von Frauen vernähten) Büstenhaltern. Die Entwicklung eines Raumanzugs in die Hände eines Miederherstellers zu legen, schien damals unmöglich. Allerdings versagten alle anderen Hersteller. »So kam es, dass die Mitglieder der Apollo-11-Mission schließlich weiche, von auf Unterwäsche spezialisierten Näherinnen handgefertigte Anzüge trugen«, schreibt Marçal.
Die Autorin berichtet auch von Männern, die als Erfinder scheiterten, sowie von erfolgreichen Frauen, die nicht nur den Rollator erfanden. Im Zweiten Weltkrieg waren sie beispielsweise hervorragende Programmiererinnen. In Großbritannien verzichtete man aber anschließend auf deren Expertise. So entstand das Silicon Valley eben später und in den USA, notiert die Autorin. Und auch hier musste die Arbeit umgedeutet werden: »Als Frauen Computer programmierten, galt das als etwas, zu dem jede und jeder fähig war; als Männer anfingen, sich damit zu beschäftigen, brauchte es plötzlich ein geniales Nerd-Gehirn«, beschreibt sie.
Marçal wirft zum Schluss einen Blick in die Zukunft. Durch die Bedrohungen durch die Klimakrise sei die Zeit zu knapp, um lange auf wichtige Innovationen zu warten. So fließe in Großbritannien immer noch weniger als ein Prozent des Geldes aus Risikofonds an Unternehmen, die von Frauen gegründet wurden. Nur unwesentlich mehr sei es im als fortschrittlich geltenden Schweden, der Heimat der Autorin. Diesen männlichen Tunnelblick könnten wir uns allerdings schon jetzt nicht mehr leisten, beklagt Marçal.
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