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Erlebtes und das Wissen darüber

Sich mit der Philosophie des Geistes zu beschäftigen, ist ein undankbares Geschäft. Denn mit Hilfe des Geistes über den Geist nachzudenken, ähnelt dem Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Baron Münchhausen soll das angeblich gelungen sein, und so versucht der Philosoph Michael Pauen, es ihm gleichzutun.

Wir glauben im Allgemeinen, dass wir zu unseren mentalen oder phänomenalen (auf die Wesenserscheinung der Dinge bezogenen) Erfahrungen einen privilegierten Zugang haben und diese dadurch über einen erkenntnistheoretischen Sonderstatus verfügen. Das heißt, wir sind davon überzeugt, Schmerzen zu haben, sobald wir sie fühlen – und somit der Ansicht, mit dieser phänomenalen Erfahrung auch schon etwas über ihren Wahrheitsgehalt ausgesagt zu haben. Diese Gleichsetzung von mentaler Erfahrung und dem Wissen darüber hält der Autor für historisch gewachsen und ungerechtfertigt, und er widerspricht ihr auf gut 300 Seiten nachdrücklich.

Fehleranfällige Introspektion

Pauen plädiert für eine Trennung der beiden, wobei er einige interessante Gedankenexperimente zu Hilfe nimmt. Das Wissen um eine phänomenale Erfahrung, die so genannte Introspektion, basiert ihm zufolge "auf einer ganzen Reihe von kognitiven Fähigkeiten, insbesondere setzt es Gedächtnis, Sprache und Selbstbewusstsein voraus. (...) Da die zu Grunde liegenden kognitiven Operationen prinzipiell fehlerbehaftet sind, muss man davon ausgehen, dass introspektive Überzeugungen falsch sein können."

Darüber hinaus vertritt der Philosoph die Ansicht, dass die Introspektion und die so genannte Extrospektion, das heißt die auf Fremdbeobachtung beruhende Beschreibung eines mentalen Zustands, einander bedingen. Sobald man demnach das Wissen um eine phänomenale Erfahrung besitzt, würde sich das funktional, also objektiv beschreibbar, bemerkbar machen. Das heißt, "was wir introspektiv wissen können, können wir – zumindest prinzipiell – auch extrospektiv in Erfahrung bringen. Und das bedeutet wiederum, dass es eine prinzipielle Symmetrie von Introspektion und Extrospektion gibt."

Damit stellt Pauen sich einerseits Philosophen wie David Chalmers (* 1966) oder Frank Jackson (* 1943) entgegen, die der Meinung sind, mentale Zustände seien keine physischen Zustände, letztlich also dualistisch argumentieren. Auf der anderen Seite widerspricht er aber auch Philosophen wie Joseph Levine (* 1952) oder Thomas Nagel (* 1937), die zwar davon ausgehen, mentale und physische Zustände seien identisch, aber dennoch von der grundsätzlichen Unerklärbarkeit subjektiver Wahrnehmungen überzeugt sind.

Rätsel Bewusstsein

Auch wenn der Begriff im Buch nie genannt wird, läuft Pauens Ansatz darauf hinaus, eine radikale Identitätstheorie zu etablieren. Allerdings mit dem Unterschied, dass der Autor im Gegensatz zu den letztgenannten Philosophen davon überzeugt ist, subjektive Erlebnisinhalte (Qualia) ließen sich materialistisch erklären. Was die Erfolgsaussichten einer solchen Theorie anbelangt, gibt sich der Autor jedoch bescheiden. In Bezug auf phänomenale Erfahrungen hält er mehrfach beinahe resigniert fest, obwohl es heute noch keine Theorie zur Entstehung des Bewusstseins auf neurobiologischer Grundlage gebe, werde die Zukunft diese sicher irgendwann bringen. Pauen glaubt zwar, eine solche Theorie mit der Annahme, alles Existierende sei physisch, werde in (ferner) Zukunft grundsätzlich möglich sein, doch "wie auch immer eine wissenschaftliche Erklärung subjektiver Erfahrungen aussehen wird: Sie wird mit Sicherheit weit über die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens hinausgehen."

Was man in diesem wie auch in vielen anderen vergleichbaren Büchern vermisst: Der Autor legt seine ontologischen Voraussetzungen in keiner Weise dar. Wer materialistisch argumentiert wie er, sollte erst einmal Rechenschaft über seinen Materiebegriff geben. Ist Materie für Pauen eine inerte, tote und ungeistige Substanz? Oder verfügt sie ihrerseits bereits über mentale oder vielmehr protomentale Eigenschaften? Was versteht der Autor unter neuronalen Prozessen, und wie hängen sie seiner Ansicht nach mit Bewusstseinsinhalten zusammen? Von diesen fundamentalen Fragen ist im vorliegenden Buch an keiner Stelle die Rede. So bewegt sich die Diskussion sozusagen im ontologisch luftleeren Raum, und man fragt sich, welchen Beitrag das Werk eigentlich zum Verständnis der Thematik liefert. Es ist eben nicht ganz einfach, sich am eigenen Schopf aus dem (philosophischen) Sumpf zu ziehen.

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