Eine umweltbewusste Ernährung
Ernährung ist kompliziert. Schmecken soll sie, gesund sein und mittlerweile auch nachhaltig. Ökosysteme, Klima, Tierwohl, Anbauformen und -regionen, nicht zuletzt soziale Aspekte wollen bewertet und gegeneinander abgewogen werden. Da freut man sich, wenn der promovierte Ernährungswissenschaftler Malte Rubach in seinem jüngsten Buch »Die Ökobilanz auf dem Teller« verspricht. Endlich ein klares Fazit zu den jeweiligen Nahrungsmitteln, das die Entscheidung erleichtert – hätte der Autor das Versprechen des Titels gehalten.
Gurus, Veganer und Klimaaktivisten
Das 248-seitige Buch ist in drei Teile gegliedert: »Wie wir lebten«, »Wie wir leben« und »Wie wir leben werden«. Ganze 40 Seiten davon widmet der Autor dem ersten Abschnitt, in dem er darlegt, wie sich die menschliche Ernährung seit Ur- und Vorzeiten entwickelt hat. Bereits da hätte man ahnen können, wohin die Reise gehen wird, denn Rubach legt großen Wert darauf, dass der Mensch schon immer Allesfresser war. Der Autor erklärt, es sei » utopisch, dass wir uns in Deutschland selbst kasteien müssten, wie von selbst ernannten Gutmenschen propagiert, um den Milliardenvölkern in Asien einen nachhaltigen Lebensstil vorzuleben.
Im zweiten und umfangreichsten Abschnitt macht sich Rubach an die Bilanzen. Für Wasser- und Flächenverbrauch sowie CO2-Emissionen präsentiert er Tabellen mit Durchschnittswerten, global wie auf Deutschland bezogen. Darauf folgen jeweils einige Seiten, in denen er die Inhalte der entsprechenden Tabelle ausformuliert. Das hätte man sich sparen können, aber dann wäre das Buch bloß halb so dick.
Beim Wasser differenziert Rubach sinnvollerweise zwischen »blauem« und »grünem«, stellt aber kaum die regionale Verfügbarkeit in Relation zum absoluten Verbrauch. Da sich der Autor explizit an eine deutsche Leserschaft richtet und auf die in Deutschland konsumierten Produkte bezieht, irritiert sein Fazit: Unser Verbrauch sei wesentlich geringer als im globalen Mittel und daher unproblematisch. Warum nimmt das Thema dann so viel Raum ein?
Beim Kohlenstoffdioxid wertet Rubach es positiv, dass der Anteil der Landwirtschaft an unseren Emissionen seit der vorindustriellen Zeit stark gesunken ist. Aber wo hätten früher auch die übrigen Ausstöße herkommen sollen, die heute aus der Industrie, dem Verkehr und Energiesektor stammen? In Absolutzahlen sind die Emissionen der Landwirtschaft drastisch gestiegen, was der Autor zwar benennt, deren Bedeutung für die Klimakrise jedoch immer wieder abschwächt.
Das wird auch deutlich, wenn er wiederholt argumentiert, man solle lieber weniger fliegen, Auto fahren oder Filme streamen anstatt von tierischen auf pflanzliche Produkte zu wechseln – dabei muss man den Klimafußabdruck in allen Sektoren schnell verringern, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Rubach schreibt, die Ernährung in Deutschland sei für 1,7 bis 2,1 Tonnen der Pro-Kopf-Emissionen verantwortlich und der globale nachhaltige Durchschnitt über alle Emissionsbereiche läge bei ein bis zwei Tonnen. Die nötigen Konsequenzen blendet er aber aus, warnt lieber vor möglichen Mangelerscheinungen bei Veganern und betont, dass zwei Milliarden unterernährte Menschen wenig Lust hätten, die vegane »Ernährungschallenge« auszuprobieren.
An anderen Stellen strotzt das Buch vor Logikfehlern. So legt Rubach dar, der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch von Butter liege gerade noch im Rahmen dessen, was die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete »planetary health diet« erlaubt, die 37 Fachleute 2019 im Fachjournal »The Lancet« vorgestellt haben. Seine Folgerung: Wer Butter nutzt, »muss kein schlechtes Gewissen haben«. Bloß: Würden alle Deutschen Butter konsumieren, sähe der Durchschnitt ganz anders und nicht mehr nachhaltig aus. Und weshalb nimmt der Autor an, Insektenprotein und Zellkulturfleisch könnten bis 2040 keine wirtschaftliche, weit verfügbare Alternative zu Rind und Co sein?
Selbst wenn man Rubach diese Mischung aus Verständnisdefizit und Manipulation der Leserschaft durchgehen lässt, bleibt eine ganz entscheidende Frage: Wo sind in seiner »Ökobilanz« Artenvielfalt, Belastung von Gewässern und Böden oder auch Erosion? Sie tauchen bestenfalls als Randnotiz auf. Etwas Raum bekommt immerhin das Tierwohl. Genauere Vergleiche der Anbau- und Haltungsmethoden sucht man jedoch vergeblich.
Wer sich als ökologisch interessierter Mensch Orientierung bei der Ernährung versprochen hat, wird von diesem Buch enttäuscht, wenn nicht sogar in die Irre geführt. Das liegt nicht an falschen Daten und Quellen, die der Autor referenziert, denn falsch sind sie nicht. Es sind die Auslassungen, Gewichtungen und ideologisch motivierten Fehlinterpretationen, die den Nutzwert des Buchs auf seine – anderenorts frei zugänglichen – Tabellen reduzieren.
Was richtig ist, aber in der Veganer-Phobie des Autors untergeht: Eine nachhaltige Ernährung muss nicht komplett fleischlos und ohne tierische Produkte erfolgen, zudem können auch Ersatzprodukte ihre Tücken in der Ökobilanz haben. Man kann die »Sechs wichtigsten To-dos«, die der Autor am Ende zusammenfasst, getrost befolgen, und ebenso sein Fazit als versöhnlichen Abschluss teilen: »Klar können Sie Veganer werden und mit Ihrer Ernährung alles an Treibhausgasen einsparen, was möglich ist. Sie können auch Vegetarier werden und zumindest beim Fleischkonsum diesen Erfolg verbuchen. Sie können aber auch einfach weniger Fleisch essen und insgesamt bewusster konsumieren.« Diese Erkenntnis ist für eine »Ökobilanz auf dem Teller« jedoch etwas mau.
Errata
In einer ursprünglichen Version des Artikels hieß es, »Wer Getreide als ›Grundnahrungsmittel‹ bezeichnet, der ist für den Autor, der später von ›selbsternannten Gutmenschen‹ spricht, ›Guru, Veganer oder Klimaaktivist‹«, im Buch steht allerdings der Satz: »Selbst wenn das in Zeiten von glutenfreien Lebensmitteln, Low Carb und anderen getreidefeindlichen Ernährungstrends schnell in Vergessenheit gerät, werden Getreide und viele andere Lebensmittel, die auf den Verbotslisten von Ernährungs-Gurus, Veganern und Klimaaktivisten (oft auch allesamt gemeinsam in einer Person vertreten) stehen und auf die wir noch zu sprechen kommen, nicht umsonst als ›Grundnahrungsmittel‹ bezeichnet«.
Zudem stand in einer ursprünglichen Version: »Tatsächlich schreibt Rubach, die Ernährung in Deutschland sei für drei Tonnen der Pro-Kopf-Emissionen verantwortlich«, im Buch finden sich hingegen die von Wissenschaftlern geschätzten Werte von »1,7 beziehungsweise 2,1 Tonnen«.
Der Autor des Buchs, Malte Rubach, ist mit der Darstellung des Inhalts nicht einverstanden. Seine Erwiderung finden Sie in den Leserkommentaren (im Aufklappmenü).
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