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Gläubig durch die Jahrtausende

Europa hat einen säkularen Weg beschritten, stellt damit aber eine historische Ausnahme dar, wie dieses Buch verdeutlicht.

Lebensratgeber warnen häufig davor, das Thema Religion in Smalltalks anzusprechen. Zu groß sei die Gefahr, in ein Fettnäpfchen zu treten – entweder, weil die eigene Unwissenheit angesichts der komplexen Materie offenbar werde, weil mangelndes Taktgefühl gegenüber religiösen Gefühlen zum Eklat führe oder weil das Gespräch zur hitzigen politischen Debatte entgleise.

In der Tat ist Religion im säkularisierten Europa ein schwieriges Thema. Spätestens seit der Aufklärung steht die religiöse Gedankenwelt im Konflikt mit philosophischer Vernunft und materialistischer Naturwissenschaft. Aber die Globalisierung hat diese alten Gräben wieder vertieft, indem sie erneut religiöse Fragen in die europäische Lebenswelt einbrachte, die sowohl den privaten, den gesellschaftlichen als auch den politischen Bereich betreffen. In diesem Umfeld sind orientierende Werke wie das des Tübinger Religionswissenschaftlers Bernhard Maier hochwillkommen.

Maier bildet die Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis heute ab. Dabei bettet er die religiösen Ideen in ihren jeweiligen (welt-)historischen Kontext ein und stellt den Bezug zu aktuellen Problemen her. Unter anderem geht er auf den Dauerkonflikt rund um den Tempelberg in Jerusalem ein sowie auf die Auseinandersetzungen zwischen den sunnitischen Rohingya und den Buddhisten in Myanmar.

Pietistische Einflüsse auf die Gesellschaft

Der Autor nimmt auch die – für Außenstehende oft schwer nachvollziehbare – Lebenswelt religiöser Menschen in den Blick. Er stellt Feste, Feiertage, Mythen, Rituale und ethische Normen als Ausdrucksformen des Glaubens vor, die vielfach in den öffentlichen Raum hineinwirken. Als ein Beispiel nennt er die Frömmigkeitsbewegung des Pietismus, die im 18. Jahrhundert im deutschen Protestantismus entstand und in den darauf folgenden 200 Jahren sowohl Pädagogik als auch Literatur beeinflusste. Ebenso stark hätten pietistische Denker das Sozialwesen geprägt, das heute wie selbstverständlich zum modernen Staat gehört.

Das Buch untergliedert sich in fünf Teile, die sich an den weltgeschichtlichen Epochenwenden orientieren. Es gelingt dem Autor, den Religionen jeder Epoche ausgeglichen gerecht zu werden. Er erleichtert seinen Lesern den Überblick, indem er die Kapitel kurz und pointiert hält. Bei alldem pflegt er einen nüchternen und sachlichen Stil, in dem keine überzogenen Deutungen oder Spekulationen Raum finden.

Im Gegensatz zu vielen anderen (populär)wissenschaftlichen Darstellungen bleibt Maier bei dem historisch Belegbaren. Dies wird etwa deutlich, wenn er im Hinblick auf die Altsteinzeit Abstand davon nimmt, aus den prähistorischen steinernen Frauenstatuetten gleich auf Göttinnenbilder zu schließen. Ebenso, schreibt er, sei die Verehrung einer »Großen Göttin« in der Jungsteinzeit nicht nachweisbar. Diese Vorstellung sei eher ein Produkt der heutigen Moderne.

Dankenswerterweise verzichtet Maier darauf, Ähnlichkeiten zwischen den Religionen überzubewerten und hypothetische Aussagen in religiöse Weltbilder hineinzuinterpretieren. Denn ein solches Vorgehen kann leicht dazu führen, die Eigenständigkeiten von Religionen, gerade solchen aus anderen Kulturkreisen, zu verleugnen oder zu ignorieren. Selbstverständlich kann der Autor in seiner einbändigen Religionsgeschichte nicht alle Aspekte des Themas abhandeln – hilfreich ist daher sein umfangreiches Literaturverzeichnis, das überwiegend auf neuere Literatur verweist.

Auch zum Thema »Gutes Benehmen« hat Maier einen Exkurs zu bieten, in dem er den bekannten Freiherr Adolph Knigge (1752-1796) vorstellt. Viele wissen nicht, dass dieser in der Religionsgeschichte eine Rolle spielte. Im Jahr 1780 trat Knigge dem Illuminatenorden des Johann Adam Weishaupt bei, verließ die Gemeinschaft jedoch 1784 wieder und legte 1788 in dem Buch »Über den Umgang mit Menschen« seine eigenen Vorstellungen zur idealen Selbstvervollkommnung und Lebensführung nieder. Erst in späteren Jahrhunderten änderte sich die Perspektive auf sein Werk, und es wurde nur noch als Benimm-Ratgeber wahrgenommen.

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