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25 keineswegs alltägliche Gewächse

Pflanzenporträts in Wort und Bild – von Silber-Weide bis Kali-Salzkraut.

Was passiert gerade auf dem Markt der Printmedien? Zeitschriften mit »Land-« im Namen erzielen enorme Verkaufszahlen, ebenso Bücher über Naturthemen. »Das geheime Leben der Bäume« des Försters Peter Wohlleben steht seit mehr als 140 Wochen auf der »Spiegel«-Bestsellerliste. »Geheim« findet sich überhaupt ziemlich oft in Buchuntertiteln, und liest man in die Texte hinein, stolpert man über die geradezu inflationäre Verwendung der Adjektive »faszinierend« und »spannend«. Allerdings, »geheim« ist da herzlich wenig, sonst könnten die Autor(inn)en ja nicht drüber berichten, und was sollen »spannende Blüten und Früchte« bei einer Weißen Seerose sein? Welche Steigerung ist nach »faszinierend« noch möglich?

Dieses Buch stimmt in den Kanon ein. Schon in Zeile 4 des Vorworts schreibt der Autor, er habe Exkursionen während seines Studiums dank eines enthusiastischen Botanikprofessors stets »faszinierend« gefunden. Mir selbst ging es nie so, obgleich ich mit mehreren engagierten Professoren auf Exkursionen war – ich war währenddessen und danach eher beschämt über meine Unwissenheit.

Interessante Kulturgeschichte

Ewald Weber, der Autor, forscht und unterrichtet an der Universität Potsdam über Biodiversität und Ökologie der Pflanzen, mit einem Schwerpunkt auf invasiven Arten und deren möglichen Konfliktpotenzialen. Er hat schon mehrere Bücher über Pflanzen geschrieben und »seine Herzensangelegenheit ist die Vermittlung ökologischer Zusammenhänge an ein breites Publikum«. Das geht in Ordnung: Die 25 Essays in diesem Band, die sich jeweils einer Art widmen, sind gut lesbar, sorgfältig recherchiert und zum Teil gestützt auf ganz aktuelle Forschungsergebnisse zur Lebensweise wie zur Kulturgeschichte. Gerade die letzte ist oft viel interessanter als irgendwelche Kennzeichen des jeweiligen Gewächses, die meist nur der Bestimmung dienen.

Webers Auswahl der Arten erscheint willkürlich, aber gelungen. Gegliedert sind sie nach fünf Lebensräumen: Meer, Feld und Wiese, Wald, Wasser und Hochgebirge mit je fünf Beispielen. Wasser liebende Arten kommen leicht überrepräsentiert vor. Einige der vorgestellten Spezies sind »gemein«, also weithin bekannt, etwa die Silber-Weide (Salix alba). Von anderen dürften Menschen mit normalen Vorkenntnissen kaum je gehört haben, etwa von dem seltenen Kali-Salzkraut (Salsola tragus).

Letzteres hat eine besonders raffinierte Methode entwickelt, um seine Samen zu verbreiten, die unbedingt erzählenswert ist – vor allem, wenn dabei auch Aspekte der US-Kulturgeschichte zur Sprache kommen. Wohl deshalb hat der Autor den Titel seines Buchs dieser Pflanze gewidmet, die »gern Purzelbäume schlägt«.

Der Biodiversitätsforscher beginnt jeden neuen Essay mit einer Ortsangabe und einer kurzen Beschreibung des entsprechenden Lebensraums. Manchmal ist er dabei sehr genau, etwa »am Fahrländer See bei Potsdam« im Falle der Wasserfeder (Hottonia palustris), manchmal aber auch recht pauschal, beispielsweise »in der Nähe des Bodensees« im Falle der Kleinen Teichrose (Nuphar pumila). Darauf folgen durchschnittlich acht Seiten Natur- und Kulturgeschichte zur jeweiligen Spezies. Illustriert ist das Buch mit Aquarellen und Zeichnungen – zu jeder Art ein Bild, das stets sehr gut ist und die typischen Merkmale der Pflanze und ihren Lebensraum genau trifft.

Gender-Fragen bei Bäumen

Mit seinem Hang zu originellen Vergleichen schießt der Autor gelegentlich übers Ziel hinaus. So bezeichnen Fachleute die Weide manchmal als »zweihäusig«, um auszudrücken, dass es männliche und weibliche Bäume mit verschieden gestalteten Blüten, den »Kätzchen«, gibt. Weber subsumiert dies unter der Schlagzeile »Gender-Fragen bei Bäumen«, was angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Debatten eigentlich nur lächerlich klingt. Und warum ist die Kornrade ein »Ackerunkraut ohne Heimat«? Ihre Heimat ist doch sehr wahrscheinlich der Mittelmeerraum, und hier zu Lande war sie ein Neophyt in Getreidefeldern, bis die nahezu perfekte Saatgutreinigung sie an den Rand des Aussterbens brachte. Den Mohn bezeichnet der Autor als »Ackerunkraut«, wobei der Begriff Unkraut »wörtlich genommen ein Widerspruch in sich selbst ist, denn die Ackerunkräuter sind durchwegs krautige und nicht holzige Pflanzen«. Der Sinn dieses Satzes hat sich mir nicht erschlossen. Hier wäre das Lektorat gefordert gewesen, ebenso wie an jener Textstelle, die auf angeblich bereits abgehandelte Sommerwurzarten verweist – welche aber erst mehrere Seiten später drankommen. Zudem ist das Buch nicht geheftet, sondern geklebt, was bei meinem Exemplar sofort zum Bruch führte, als ich das Literaturverzeichnis suchte.

Trotz dieser kleinen Mängel besticht das Buch als informativer kleiner Band über 25 keineswegs alltägliche Pflanzen. Am meisten hat mich beim Lesen erfreut, dass es an den Muschelkalkhängen des Schönbergs im Reinstädter Grund (Thüringen) den »Feuerbusch« – korrekter: Diptam (Dictamnus albus) – noch immer gibt. Kurz nach dem Krieg hatte ich als Schüler dort entsprechende Exemplare gesammelt, weil damals am Gymnasium noch die Anlage eines Herbariums selbstverständlich war.

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