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Die Nation der Pflanzen

Wie wäre es, wenn die Pflanzenwelt eine Nation mit eigenen Rechten und Gesetzen bildete? Dieser Überlegung widmet sich der Botaniker Stefano Mancuso.

Der Begriff »Charta« ist im Buch »Die Pflanzen und ihre Rechte – eine Charta zur Erhaltung unserer Natur« wohl im Sinne einer Selbstverpflichtung gemeint. Der italienische Originaltitel heißt übersetzt »Die Nation der Pflanzen«, was den Inhalt besser widerspiegelt. Der italienische Botaniker Stefano Mancuso betrachtet die Pflanzen, »als seien sie Teile einer Nation, also einer Gemeinschaft aus Individuen mit gemeinsamer Herkunft und Geschichte und den denselben Organisationen und Zielen«, ohne die kein anderer Organismus auf der Erde leben könnte.

Pflanzen sind die Erstbewohner unseres Planeten

Menschen haben den Planeten zwar geformt, sind aber nach den Pflanzen nur zugewandert. Die Essenz des Lebens repräsentieren die Erstbewohner, »von denen alles zum Überleben Wichtige abhängt«, dennoch wisse man über sie so gut wie nichts. Schon am Anfang des Essays erstaunt eine solche Übertreibung eines Fachmanns, dem bewusst sein müsste, wie viel gesichertes Wissen in den Lehr- und Handbüchern der Botanik von der Molekulargenetik bis zur Pflanzensoziologie vorliegt.

Im Folgenden leitet Mancuso acht Regeln als »Verfassung« der Nation der Pflanzen ab, um dank ihrer Befolgung unser Überleben zu ermöglichen. Er bezeichnet das zwar als Gedankenspiel, doch das würde den Menschen aus dem Mittelpunkt des Universums entfernen, um sich in die Gemeinschaft der umgebenden Lebewesen so einzufügen, »wie es mir von den Pflanzen selbst, meinen in Jahrzehnten lieb gewonnenen Weggefährten, vorgeschlagen wurde«.

Die Regeln der Nation der Pflanzen lauten zusammengefasst: Die Macht gehört allen Lebewesen; die unveräußerlichen Rechte von Gemeinschaften sowie die universellen Rechte heutiger und zukünftiger Lebewesen ist garantiert; tierische Hierarchien werden nicht toleriert; Zugriff auf sauberes Wasser, sauberen Boden und saubere Luft ist gewährleistet; der Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen ist verboten; zudem darf sich jedes Lebewesen ohne Einschränkungen bewegen, da es keine Grenzen gibt.

Eingedenk dieser Utopie wird es Mancuso »manchmal ganz schwindelig angesichts der Absurdität des Umstandes, (…) wie wenige Menschen (…) für die Beherrschung des einzigen Planeten im Universum verantwortlich sind, auf dem es Leben gibt«. In seinen Artikeln zeigt er an meist sehr schönen und interessanten Beispielen auf, wo wir stehen und was getan werden muss, um unsere Umwelt zu schützen.

Mit wachsender Bevölkerung läuft der Mensch Gefahr, sich selbst auszulöschen. Durch exzellent erzählte Anekdoten wie Darwins Rat an seine Mitbewohner, den Ertrag vieler Pflanzen zu steigern, indem sie mehr Katzen halten, oder die Vernichtung der Spatzen unter Mao verdeutlicht der Autor die Folgen des Eingriffs in Ökosysteme, die wir nicht gänzlich durchschauen.

Der Schwerpunkt seiner Argumentation liegt auf der Zusammenarbeit bei weitgehend fehlenden Hierarchien. Als Vorbild dienen die relativ neuen Erkenntnisse, wonach Pflanzen unter der Erde durch die Verteilung von Stoffen miteinander kommunizieren, etwa um schwache Artgenossen oder Nachbarbäume vor Schädlingsbefall zu warnen, nachdem sie selbst angegriffen wurden. Weitere Beispiele sind Symbiosen mit Pilzen, die bei rund 80 Prozent aller Pflanzen auftreten, sowie Flechten aus Pilzen und Algen oder die eukaryotische Zelle: Diese entstand der so genannten Endosymbiontentheorie zufolge aus einer prokaryotischen Bakterienzelle durch Aufnahme zweier weiterer Arten solcher Zellen, die zu Chloroplasten und Mitochondrien wurden.

Insgesamt ist Mancusos Anliegen einfühlsam und engagiert. Angesichts der heutigen Probleme unseres Planeten kann man ihm vollständig zustimmen. An einer Stelle merkt er schon resignierend klingend an: »Ich weiß, wir haben alles schon tausendmal gehört«, dennoch scheine das bei der überwiegenden Mehrheit der Weltbevölkerung nicht angekommen zu sein – auch da muss man ihm leider Recht geben.

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