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»Die Reue des Prometheus«: »Die Temperaturen steigen, der Kongress tanzt«

Peter Sloterdijk entdeckt in seinem elitären Traditionalismus seine grüne Seele.
Flammen erhellen am späten Abend ein Waldstück nahe Jüterbog im Juni 2023.

Die Klimakrise ist unbestreitbar und prominent in den Medien. Nur wenige mahnen behutsam, viele alarmistisch. Apokalyptisch prognostiziert die »Letzte Generation« »Milliarden Tote« in naher Zukunft. Dem Ganzen will der Philosoph Peter Sloterdijk einen Überbau verpassen, wohlwissend, dass »die Temperaturen steigen, der Kongress tanzt«, dass also die weltweiten Maßnahmen nicht ausreichen, den wütenden »Brandstifter« Mensch zu stoppen.

Das entfaltet das nur 80 Seiten umfassende Büchlein von Peter Sloterdijk »Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung«. Es ist ein »in vagen Umrissen beschriebener Vorgang«, den er in »ersten theoretischen Reflexen zu vergegenwärtigen« versucht. Von der Entdeckung des Feuers in Urzeiten, fälschlich dem Homo sapiens zugeschrieben (schon frühere Hominiden wie der Homo rudolfensis bändigten das Feuer), bis in die Gegenwart zeichnet der Autor eine Linie entlang von Kraft, Stoff und Brandstiftung. Das Feuer ersetze allmählich die Muskelkraft, anfangend bei den Sklaven der Antike, die Sloterdijk zynisch als »menschenförmige Geschöpfe«, Automaten gleich, bezeichnet, »bei denen gewissermaßen die Ich-Taste deaktiviert« sei. Diese Linie erstrecke sich bis zu den Sklaven des Proletariats. Für dieses Kontinuum gelte die »Stoffwechselformel« aus »Befehlsgewalt plus Biomaschinenpark plus pyrotechnisches X«.

Mit der Ausbeutung der in Urzeiten aus Wäldern entstandenen Ressourcen Kohle und Öl in tiefster Erde beginne die industrielle Revolution des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts: statt Muskelkraft nun »pyrotechnische Ingenieurskunst«. Der »globale Brandstifter« setze zur eigenen Bequemlichkeit die Welt in Brand.

Die theoretische Basis dieser »Ausbeutungsverschiebung« von Muskelkraft zu Maschinenleistungen plus Pyromanie findet Sloterdijk in den Schriften der Saint-Simonisten des frühen 19. Jahrhunderts. Sie hätten eine quasireligiöse Vorstellung des »Industriellen« (industria, lat. = Eifer, Anstrengung), das alle »Fleißklassen« umfasste: Unternehmer, Arbeiter, Handwerker etc. Darin, so Sloterdijk, vereinigten sich Frühsozialismus und Liberalismus. Die »Ausbeutung des Menschen durch den Menschen« verschiebe sich mit der »Entfaltung der Produktivkräfte« zur Ausbeutung der Natur. Dass die Geschichte nach Marx und Engels eher dem Antagonismus von Arbeit und Kapital gefolgt sei, merkt er zwar an, wütet aber gleichzeitig berechtigt gegen Rußland, China etc. als die größeren Pyromanen und Ausbeuter.

Das Ergebnis sei eine umfassende Pyromanie, überall sichtbar, selbst in den sozialen Verhältnissen avancierter Gesellschaften, die »aufgehört« hätten, »die Erzeugung und Aufzucht von Nachkommen als die ernsteste und vordringlichste aller gesellschaftlichen Aufgaben anzusehen.« Da redet der Philosoph schon einem elitären Traditionalismus das Wort, und es verwundert daher nicht, dass er sich in abstruse Spekulationen steigert, wonach die »lustige Polyvalenz … des Erdöls und seiner Alles-geht-Botschaft« womöglich auch die »luxurierenden Konstrukte nicht-binärer nicht produktiver Sexualität und fossilenergetisch entlastenden Lebensstile und Beziehungsformen« widerspiegele.

Inmitten dieser Übertreibungen entdeckt Sloterdijk schließlich seine grüne Seele: die prometheische Reue. Für den Titanen wäre es besser gewesen, wenn er »den Menschen nie das Feuer überbracht hätte«. Dabei missversteht er Günther Anders’ »prometheische Scham« aus der »Antiquiertheit des Menschen« (1951), auf die er verweist. Während nach Anders der Mensch sich dafür schäme, Maschinen geschaffen zu haben, die mehr als er selbst können, verharrt Sloterdijk scheinbar im Mythologischen, wenn er von der Reue des Prometheus spricht, so mein Eindruck aus seinem uneindeutigen Stil.

Zum Schluss plädiert er für den vollständigen Verzicht auf das »Feuergeschenk« und deklariert ihn großspurig als »energetischen Pazifismus«. Seine zum Teil vernünftigen technischen Überlegungen zur Stromspeicherung etc. entwertet er aber mit utopischen Vorstellungen wie einer »Helvetisierung des Planeten« oder einer Auflösung von Agglomerationen auf unter 500 000 Einwohner.

Das Büchlein ist dem 2022 verstorbenen französischen Soziologen Bruno Latour gewidmet. Mit Bezug auf dessen Gaia-Beiträge ruft Sloterdijk die Menschheit zur »nach-prometheischen« Teilnahme auf: »Fire-Fighters aller Länder, dämmt die Brände ein!«

Sloterdijk ist ein glänzender Rhetoriker, der gern Begriffe auf ihren Ursprung zurückverfolgt. Er ist auch ein Metaphernterrorist mit großer Lust an hyperbolisch ausufernden Formulierungen. Wer Spaß daran hat, kann sich an seinen stilistischen Pirouetten erfreuen und findet selbst im Uneindeutigen noch Spuren von Eindeutigem. Dass seine Vorschläge undurchführbar sind, stört nur wenig – es ist eben eine philosophische Utopie/Fantasie, der er das Wort redet.

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