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»Die Rundum-Gesund-Formel«: Ganzheitliche Medizin 2.0

Mit Hilfe der Psychoneurobiologie die Gesundheit besser zu verstehen: Das ist das Ziel von Christina Berndt. Ihr Buch liefert spannende und schlüssige Argumente für eine wissenschaftlich fundierte ganzheitliche Medizin.
Auf einem Tisch liegen verstreut einige honigfarbene Vitamin-D-Kapseln

Wer psychisch eine schwere Zeit durchmacht, ist oft anfälliger für Infektionskrankheiten. Das hat nicht zuletzt Covid gezeigt. Aber auch umgekehrt gilt: Wer körperlich leidet oder sich gestresst fühlt, entwickelt leichter psychische Beeinträchtigungen. »Psychoneuroimmunologie« heißt die Disziplin, die diese Zusammenhänge erforscht. Was heute darüber bekannt ist und wie Psyche, Nerven und Immunsystem wechselwirken, schildert die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt in ihrem Buch mit dem etwas PR-trächtigen Titel »Die Rundum-Gesund-Formel«.

Das Buch wirkt wie ein Plädoyer für ganzheitliche Medizin, und zwar für eine, die sich nicht auf anekdotisches Wissen und vorwissenschaftliche Traditionen stützt, sondern fest in der modernen Forschung begründet ist. In neun Kapiteln erfährt man unglaublich viel über das Nervensystem, das Immunsystem und selbstredend auch über die Seele und sogar den Ort, an dem sie sich befinden soll: »So liefert die moderne Forschung Erklärungen für Phänomene, die bisher als übersinnlich galten. […] Die Seele und all das, was sie ausmacht, scheint demnach kein Antipode des Körpers zu sein, sondern ein Teil von ihm. Ihr Sitz: das Gehirn.«

Die Autorin erklärt verständlich die komplexen Details der Psychoneuroimmunologie und verwendet gern eine anschauliche Sprache, etwa wenn sie beschreibt, warum sich das hochspezifische Immunsystem noch immer so etwas wie die B- und T-Zellen leistet: »Wenn ein Virus einen Körper befällt, ist diese vorderste Linie sofort zur Stelle und reaktionsbereit, deshalb ist sie bis heute trotz ihrer vergleichsweise groben Art, ihres unspezifischen Bohrens, Fressens und Um-sich-Schießens unverzichtbar.« Ähnlich bildhaft verdeutlicht Berndt mit einer Analogie, wie sich aus einer gesunden Immunreaktion eine Autoimmunerkrankung entwickeln kann: »Und wenn [Polizisten] nicht aufhören, Straßen abzusperren, immer neue Polizisten auszubilden und bis an die Zähne bewaffnet alles zu kontrollieren, dann hat man am Ende einen Polizeistaat, in dem kein gesundes Leben mehr möglich ist.«

Ein eigenes Kapitel verwendet die Autorin darauf, darzulegen, wie Stress auf die Gesundheit wirkt. Denn der richtige Stress kann durchaus gesundheitsfördernd sein. Das Stressempfinden mit all seinen Effekten hängt demnach auch von der eigenen Haltung ab – und die lasse sich beeinflussen, argumentiert Berndt anhand von Experimenten, von denen sie berichtet.

Die Selbstbestimmung des Darms

Natürlich spielt ebenso das Thema »Darm« im Buch eine große Rolle. Über unser »zweites Gehirn« hält die Autorin einige erstaunliche Fakten bereit: »90 Prozent der Informationen, die zwischen Darm und Gehirn ausgetauscht werden, gehen vielmehr vom Darm aus. […] Er hat die Hoheit über seine Arbeit nicht an das Gehirn abgegeben, er bestimmt selbst, was er tut.« Das geht so weit, dass der Darm als einziges Organ sogar außerhalb des Körpers auf einem Labortisch noch tagelang seine Funktion ausüben kann.

Weitere spannende Erkenntnisse, welche die Autorin zusammengetragen hat, beziehen sich etwa auf die Coronapandemie und letztlich auf die Frage, warum manche Menschen schwerer erkranken als andere oder sogar Post-Covid entwickeln. Aufhorchen lässt auch der Umstand, dass bis zu einem Fünftel aller Depressionen – vor allem jene, die sich herkömmlich nicht therapieren lassen – auf Infektionen oder Entzündungen zurückgehen. Denn, das berichteten Mediziner der Journalistin, therapiert man die Infektion beziehungsweise Entzündung, verschwindet bei den Betroffenen zugleich die Depression.

Berndt ist nicht nur in der Wissenschaftsredaktion der »Süddeutschen Zeitung« mit Gesundheitsthemen betraut. Sie hat auch in Immunologie promoviert. Beides merkt man dem Buch an. Regelmäßig lässt die Autorin Fachleute zu Wort kommen und sie ihre Forschung erläutern. Berndt verknüpft diese Passagen, schließt Lücken und ordnet Zusammenhänge fundiert ein. Dadurch liest sich das Buch wie eine Mischung aus einem überlangen Hintergrundartikel in einer Zeitung und einem Sachbuch.

Wer einen Ratgeber erwartet, wie es der Untertitel durchaus suggeriert (»Das Zusammenspiel von Psyche, Nerven und Immunsystem gezielt stärken«), der wird eher enttäuscht. Natürlich kann man aus den vermittelten Erkenntnissen so manche Handlung ableiten. Vor allem entsteht jedoch der Wunsch nach Veränderungen im Gesundheitswesen. Konkrete Tipps gibt es zwar immer mal zwischendurch, etwa dass man sich nach dem Duschen eher abtupfen als abrubbeln und die Haut dann eincremen sollte. Und das letzte Kapitel ist sogar ausschließlich solchen Tipps gewidmet. Doch dass gesunde Ernährung, Bewegung, Schlaf und Achtsamkeit guttun, während negativer Stress schadet – das überrascht heute kaum noch jemanden. Wer aber verstehen möchte, warum das alles so ist, kann in »Die Rundum-Gesund-Formel« viele gut erklärte und begründete Zusammenhänge finden.

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