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»Die Sache mit dem Wald«: Für mehr Naturschutz im Wirtschaftswald

Sven Herzog zeigt die vielfältigen Ansprüche an den Wald und plädiert für eine naturnahe Bewirtschaftung. Detail- und kenntnisreich.
Ein Mann joggt durch eine Allee

Die Deutschen haben einen besonderen Bezug zum Wald. Die Romantiker haben ihn Anfang des 19. Jahrhunderts zum Sehnsuchtsort erkoren. Das wirkt bis heute nach. Für viele ist ein Waldspaziergang immer noch das ultimative Naturerlebnis. Vermutlich war in Westdeutschland die Angst vor dem »Waldsterben« in den 1980er Jahren auch deshalb so groß und emotional, weil es eben um einen nationalen Sehnsuchtsort ging. Das Problem ist: Vermutlich weiß der Großteil der Bevölkerung nicht besonders viel über den »Wald«. Oder das romantische Bild im Kopf überstrahlt die prosaische Wirklichkeit. Das geht schon los bei den Begrifflichkeiten. Der Waldspaziergang ist in den allermeisten Fällen ein Gang durch den Wirtschaftsforst. Ein Spaziergang durch einen engen, dunklen Fichtenwald hat mit einem echten Naturerlebnis kaum mehr zu tun als ein Spaziergang über einen Maisacker.

Es gibt also einiges zu klären im Verhältnis Mensch – Wald.

Genau das macht Sven Herzog in seinem Buch »Die Sache mit dem Wald. Neue Perspektiven und Konzepte für unser Ökosystem«. Herzog ist studierter Forstwissenschaftler und Inhaber der Dozentur für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden. Entsprechend kenntnisreich kann er über die Entwicklung des Waldes und auch der Forstwissenschaft erzählen. In acht Kapiteln bespricht er die großen Themen rund um das Thema Wald: den Mythos, das Ökosystem, Nachhaltigkeit, Wildtiere und Waldnutzung. Das Buch ist zum Teil eine historische Abhandlung, die erklärt, warum unsere Wälder heute so aussehen, wie sie aussehen. Zum anderen Teil stellt es Konzepte für die Zukunft der Wälder vor.

Zu Beginn macht Herzog deutlich, wie stark der Mensch den Wald schon immer beeinflusst hat. Dass es seit Tausenden von Jahren in der Nähe menschlicher Siedlungen keinen unberührten, natürlichen Wald gibt: Der Wald wurde für Felder gerodet, sein Holz als Bau- und Brennmaterial verwendet. Haustiere nutzten den Wald als wichtigen Weidegrund. Ab dem Mittelalter setzt dann eine Art frühindustrieller Waldnutzung ein. Unmengen an Holz wurden für die Metallverarbeitung benötigt, für die Produktion von Glas, die Gewinnung von Salz und das Betreiben von Bergwerken. Das führte spätestens im 18. und 19. Jahrhundert zu einer akuten Holzknappheit.

Herzog nennt die großen Reformer der Forstwirtschaft, etwa Heinrich Cotta oder Carl Justus Heyer, die für das Problem eine Lösung fanden, die unsere Wälder bis heute prägt: Zur Wiederaufforstung wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts flächendeckend Fichten und Kiefern gepflanzt. Um die Ressource Holz nicht zu übernutzen, wurde der Altersklassenwald erfunden: Wenn jedes Jahr nur ein Hundertstel der Wirtschaftswaldfläche abgeholzt und anschließend wieder aufgeforstet wird, bleibt die nachwachsende Holzmenge konstant. Der monokulturelle Stangenwald, der heute nicht mehr zeitgemäß ist und anfällig für Schädlinge ist, war ursprünglich – schreibt Herzog – aus dem Gedanken der Nachhaltigkeit entstanden.  

Mittlerweile hat sich das Prinzip der »naturnahen Waldwirtschaft« als Standard durchgesetzt. Als »naturgemäße Waldwirtschaft«, die auf Kahlschläge verzichtet, und einen Mischwald mit unterschiedlichen Altersklassen präferiert, wurde das Konzept bereits in den 1920er Jahren entwickelt. Aber Wald wächst langsam. Deshalb wird es noch ein paar Jahrzehnte dauern, bis überall in der Fläche ein strukturreicher Mischwald entstanden ist.

Für den Wald von heute umreißt der Autor die gewachsene Zahl an Nutzungsansprüchen: Anders als früher, wo vor allem die Produktion von Holz im Mittelpunkt stand, sollen die Wälder auch Erholungs- und Freizeiträume, Schutzräume für Tiere und Pflanzen und wichtige CO2-Senken im Kampf gegen den Klimawandel sein.

Zum Schluss kommt Herzog auf die drängendsten Fragen zu sprechen, die für die Zukunft des Waldes wichtig sind: Der Großteil der Wälder muss seiner Einschätzung nach weiter bewirtschaftet werden, aber naturnah. »Naturwälder«, also Wälder gänzlich ohne menschlichen Einfluss, sollten dagegen wie bisher die Ausnahme bleiben. Als Anpassung an den Klimawandel hält er die Aufforstung mit gebietsfremden Baumarten für bedenkenswert, wenn es sich um nah verwandte Eichen- oder Kiefernarten aus dem nördlichen Mittelmeerraum und nicht um Arten von anderen Kontinenten handelt. Herzog wünscht sich einen entspannteren Umgang mit Huftieren im Wald und hält eher wenig davon, immer mehr Waldgebiete unter strengen Naturschutz zu stellen. Stattdessen plädiert er dafür, im Wirtschaftswald mehr Naturschutz zu realisieren – ohne strenge Auflagen.

Über die besten Rezepte für den Wald der Zukunft lässt sich natürlich trefflich streiten. Herzog schafft dafür mit seinem detail- und kenntnisreichen Buch die besten Voraussetzungen. Wer die vielen Facetten des Waldes besser verstehen will, für den ist »Die Sache mit dem Wald« genau das Richtige.

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