Hinfallen und wieder aufstehen
Eigentlich geht es weder um das Scheitern noch um dessen Schönheit. Ebenso wenig entpuppt sich das Werk als philosophisch tiefgründig. Auch dem französischen Titel "Les vertus de l'échec", den man wörtlich mit "Die Tugenden des Scheiterns" übersetzen kann, wird der Inhalt nicht gerecht. In der Schule würde man dazu sagen: Thema verfehlt.
Charles Pépin, Schriftsteller und Philosophie-Gymnasiallehrer, möchte gerade nicht "der persönlichen Katastrophe die Schärfe" nehmen, wie es der Klappentext verspricht. Nein, Pépins Thema ist der Erfolg – genauer, wie man Misserfolge in Erfolge ummünzt beziehungsweise sich von Niederlagen zumindest nicht erschüttern lässt. Als Beispiele zieht er fast ausschließlich Prominente heran, also Erfolgreiche, die er als Vorbilder empfiehlt. Den Tennisprofi Andre Agassi, den Apple-Gründer Steve Jobs, den Schauspieler John Travolta eint die Sequenz von Aufstieg, Scheitern und Wiederaufstieg. Auch Charles de Gaulle musste viele Niederlagen einstecken, bevor er zum bedeutenden Führer Frankreichs avancierte.
Demütigung vor der Gruppe
Im Abschnitt über scheiternde Schüler spricht Pépin von seinen Erfahrungen an unterschiedlichen Gymnasien und erklärt, wie Lehrer leistungsschwache Schüler motivieren können. Er beklagt das starre französische Bildungssystem, in dem die Lehrkraft schlechte Noten vor der Klasse präsentiert. In Frankreich komme man nicht auf die britische Idee, "für den 'Faulpelz des Tages', den 'Komiker der Woche' oder das 'schönste Liebespärchen'" genauso Preise zu verleihen wie für schulische Glanzleistungen.
Weiterhin kritisiert der Autor, die moderne Gesellschaft sei von mittelmäßigen Figuren beherrscht. "Dass eine Epoche so viele untalentierte, uncharismatische Persönlichkeiten hypt, hat es in der Menschheitsgeschichte bisher nicht gegeben – mit unabsehbaren Folgen." Eine These, die an Stammtischen und in "sozialen Netzwerken" regen Zuspruch finden dürfte, sich aber schwerlich belegen lässt.
Das Buch dreht sich primär darum, dass Scheitern lehrreich sei, in Lebenskrisen stets ein Aufbruch schlummere und Erfolge hart erarbeitet werden müssten. Das unterfüttert Pépin mit diversen philosophischen Gedanken. Bei Hegels Dialektik lerne der Scheiternde, dass er zum Erfolg Widerstände überwinden muss. Die christliche Demut helfe zu erkennen, dass man sich letztlich in Gottes Hand befindet. Die Stoa lehre, Scheitern als normal zu verstehen, aber immer von der Erfahrung zu lernen. Der Existenzialismus Sartres empfehle, Scheitern als eine Chance zur Neuerfindung zu nutzen. Leider kommt all das über Banalitäten, die teils auch noch fragwürdig sind, nicht hinaus.
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