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Wildes Gefecht an der A7

Lange glaubten Forscher, die Römer hätten sich nach der katastrophalen Varusschlacht aus Zentralgermanien zurückgezogen. Funde am Harzhorn beweisen das Gegenteil.

Die Geschichte ist immer wieder für Überraschungen gut. Etwa im Juni 2008, als Archäologen in einem Waldgebiet am Harzhorn, nahe dem Ort Oldenrode (Landkreis Northeim) und unweit der A7, zahlreiche Gegenstände entdeckten, die auf eine antike Schlacht hindeuteten. Offensichtlich hatten hier Römer gegen Germanen gekämpft. Das war umso überraschender, als man bis dahin davon ausgegangen war, dass sich die Römer nach der fürchterlichen Niederlage der Varusschlacht 9 n. Chr. ein für allemal aus Zentralgermanien zurückgezogen hatten. Inzwischen wissen die Forscher, dass die Funde am Harzhorn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einem militärischen Unternehmen des römischen Kaisers Maximinus Thrax (zirka 172–238) zuzuordnen sind. 235 führte dieser ein Heer vom heutigen Mainz aus tief ins Innere Germaniens hinein, was sowohl der zeitgenössische Schriftsteller Herodian als auch die »Historia Augusta«, eine Sammlung von Kaiserbiografien, dokumentiert haben. Allerdings schenkte die Fachwelt dieser Notiz einer »groß angelegten Strafexpedition bis an die Elbe« infolge mangelnder Glaubwürdigkeit lange Zeit wenig Beachtung.

Günther Moosbauer unterzieht in diesem Buch die römisch-germanische Geschichte des 3. Jahrhunderts einer Neubewertung. Beginnend mit der Mitte des 2. Jahrhunderts zeichnet der Fachmann für provinzialrömische Archäologie nach, wie sich das spannungsgeladene Verhältnis beider Völker damals entwickelte. Dabei stellt er die Harzhornschlacht in den historischen Kontext.

Das Imperium knickt ein

Um zu ergründen, wie es zu Thrax' Feldzug tief ins germanische Hinterland gekommen war, befasst sich Moosbauer mit der außenpolitischen Situation Roms in jener Zeit. Seit dem späten 2. Jahrhundert sah sich das Imperium an seiner Nord- und Ostgrenze mit zwei Dauerkonflikten konfrontiert. Roms Cäsaren waren immer öfter gezwungen, Truppen von einer Front an die andere zu verlegen, was wiederum die jenseits der entblößten Grenzen lebenden Völker dazu ermutigte, in das militärisch ausgedünnte Limes-Hinterland einzufallen. Dieser Zweifrontenkrieg strapazierte nicht nur Roms militärische Ressourcen über, sondern ließ auch seine bisherige strategische Doktrin – starre Verteidigungslinien entlang der Reichsgrenzen – Makulatur werden.

Ein Grund dafür lag Moosbauer zufolge an den veränderten Lebensbedingungen in Germanien, wo sich um die Mitte des 2. Jahrhunderts kleinere Heerhaufen zu größeren Stammeskonföderationen zusammenzuschließen begannen, die sich durch enorme militärische Schlagkraft und hohe Mobilität auszeichneten. Ein Produkt dieser Entwicklung waren die Alamannen (»alle Menschen«), eine Sammelbewegung unterschiedlicher ethnischer Verbände zwischen Main und Elbe. Im Jahr 233 n. Chr. überschritten sie den obergermanischen Limes auf breiter Front und verwüsteten weite Teile des Imperiums.

Die römische Strafexpedition, in deren Verlauf es zur Harzhornschlacht kam, sieht der Autor als eine erste Reaktion auf diesen Einfall. Sie ist typisch für die Kriegführung zwischen Römern und Germanen im 3. Jahrhundert. Es ging beiden Seiten damals nicht um die Ausweitung ihres jeweiligen Machtbereichs, sondern um Vergeltungsaktionen und Schwächung des Gegners. Man versuchte, sich gegenseitig Beute abzujagen beziehungsweise verschleppte Landsleute zu befreien.

Dass es dabei zu erbitterten Kämpfen kam, zeigen die Funde des Schlachtgeländes am Harzhorn. Neben eisernen Pfeil- und Lanzenspitzen und Katapultgeschossbolzen, mit denen sich die Römer verteidigten, fanden Archäologen – meist dicht unter der Oberfläche – viele weitere militärische Ausrüstungsgegenstände, die römische Legionen im Tross mitführten. Deren Verteilung im Gelände lässt auf mehrere Gefechtszonen schließen, und anhand der Konzentration von Sandalennägeln konnten Forscher sogar die Marschrichtung des römischen Heers rekonstruieren. Dieses, so Moosbauer, befand sich auf der Rückkehr von der Elbe, als es von Germanen mehrfach angegriffen wurde. Stattgefunden hat das Ganze zwischen 230 und 240, wie vor Ort gefundene römische Münzen belegen. Auf die gleiche Zeitspanne verweisen Radiokarbondatierungen von Holzresten an Geschossteilen sowie C-14-Analysen an einem Pferdeskelett. Diese Datierungen erlauben es, die archäologischen Funde mit dem Feldzug des Thrax in Verbindung zu bringen.

Mit dem Buch legt Moosbauer eine beeindruckende Abhandlung auf hohem sprachlichem und intellektuellem Niveau vor. Er zeigt, welche Schlüsselrolle dem »wilden Gefecht am Harzhorn« in den römisch-germanischen Beziehungen seit dem 3. Jahrhundert zukommt.

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