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Wurzeln der Freiheit

Der Publizist Helge Hesse zoomt auf ein Vierteljahrhundert Geschichte von hoher politischer Ereignisdichte und gesellschaftlicher Dynamik.

Spätestens seit Stefan Zweig wissen wir, dass es historische Ereignisse gibt, die sich in einem einzigen Moment verdichten und den Lauf der Geschichte maßgeblich bestimmen. Was der österreichische Schriftsteller in seinen »Sternstunden der Menschheit« in einem Parforceritt durch die Zeiten demonstriert hat, verengt der Düsseldorfer Publizist und Sachbuchautor Helge Hesse auf die letzten 25 Jahre des 18. Jahrhunderts. Zwischen dem Beginn des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs 1775 und dem Ende der Französischen Revolution 1799 vollzogen sich tief greifende macht- und gesellschaftspolitische Umwälzungen, welche die westliche Welt bis heute prägen.

Geistreiche Zusammenfügung von Ereignissen

»Die Welt neu beginnen« ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine geistreiche Zusammenfügung von Ereignissen, Wegmarken und geschichtsträchtigen Augenblicken, die Hesse Jahr für Jahr vor den Augen des Lesers auffächert. Diese annalistische Erzählform ermöglicht es, die entscheidenden Protagonisten hautnah auf ihrem Weg durch die Geschichte mitzuverfolgen. Der Autor begleitet Menschen auf ihren Lebenswegen, die zu historischen Größen oder Verlierer der Geschichte wurden.

Hesse zeigt auf, wie die Gründerväter der USA – inspiriert von den Ideen der Aufklärung – die amerikanische Unabhängigkeit erstritten und der Welt eine neue Verfassung gaben. Wie das revolutionäre Frankreich den feudalen Ständestaat abschaffte und eine Gesellschaftsidee propagierte, die dem Gedanken von den Menschen- und Bürgerrechten zur Durchsetzung verhalf. Diese politische Emanzipation setzte Kräfte frei, die Gesellschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik revolutionierten, wie Hesse darzulegen versteht.

Die Europäer erforschten den Globus und begannen, den Himmel zu erobern, eine Sphäre, die bislang nur Gott allein zustand. Die Gebrüder Montgolfier überwanden die Schwerkraft und stiegen mit ihren Heißluftballons hinauf, Antoine de Lavoisier entdeckte in seinem Labor den Sauerstoff und kam dem Geheimnis der Verbrennung auf die Spur, Alessandro Volta gab den Startschuss für die Elektrotechnik, James Cook kartografierte den Pazifischen Ozean, der britische Arzt Edward Jenner entwickelte die moderne Schutzimpfung gegen Pocken, Mozart komponierte »Figaros Hochzeit« sowie die »Zauberflöte« und Goethe und Schiller schufen Weltliteratur.

Die Rasanz der Ereignisse erfasste auch die Emanzipation der Frauen. Vermehrt stießen diese nun auch in Gesellschaftsbereiche vor, die bislang nur Männern offenstanden. Caroline Herschel startete eine erfolgreiche Karriere als Astronomin, die französische Malerin Élisabeth Vigée-Lebrun fand Aufnahme in die Königliche Akademie in Paris, und Frauen wie Suzanne Necker, Gattin des französischen Finanzministers Jacques Necker, leiteten als charmante Gesellschafterinnen politische Salons, in denen liberales Denken vorherrschte.

All diese Entwicklungen führt Hesse in seiner Chronik anschaulich vor Augen. Ausgestattet mit fundiertem historischem Wissen und feinem Gespür für gesellschaftspolitische Zusammenhänge blickt er über die Schultern wichtiger Persönlichkeiten auf die Momente, in denen sich Lebenswege und Weltgeschichte entschieden. Er beschreibt, wie die Protagonisten dachten und handelten, wie sie die Ereignisse reflektierten, miteinander interagierten und aufeinander reagierten. So erfährt man etwa, wie Goethes »Werther« auf den jungen Napoleon wirkte, wie die Halsband-Affäre am Hof Marie Antoinettes Schiller 1786 zu seinem Roman »Der Geisterseher« inspirierte und wie Hegel und Hölderlin sich für die Aufstände im revolutionären Frankreich begeisterten.

Durch die ständig wechselnden Perspektiven stellt Hesse erkenntnisfördernde Verbindungen zwischen weit auseinanderliegenden Ereignissen her und macht das Buch zu einem besonderen Lesevergnügen. Es öffnet Horizonte und regt an, über vieles neu oder aus einem anderen Blickwinkel nachzudenken.

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