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Das Gute in uns?

Egoistisches Verhalten sei erlernt und daher veränderbar, meint der Journalist und Regisseur Andreas von Westphalen.

Egoismus, Konkurrenz und Materialismus – sind das die natürlichen Triebfedern des Menschen? Oder entspricht dieses Menschenbild, das dem Journalisten und Regisseur Andreas von Westphalen zufolge dem Kapitalismus zu Grunde liegt, überhaupt nicht der menschlichen Natur? Mit solchen Fragen befasst sich der Autor, der auch schon Bücher und Hörspiele über den 11. September oder den versuchten Mord an Sergei Skripal verfasst hat, in seinem neuesten Werk.

Das vom Autor postulierte kapitalistische Menschenbild ist von der Überzeugung geprägt, absoluter Eigennutz und tiefes Misstrauen trieben uns an, wir seien von Natur aus faul, Konkurrenz und äußere Anreize wie Geld motivierten uns am meisten und wir handelten (wenn überhaupt) nur aus egoistischen Gründen altruistisch. Mediale Berichterstattungen und Hollywood-Inszenierungen stützen dieses Bild vielfach. Auch Sigmund Freud ging davon aus, die Natur des Menschen – das triebhafte »Es« – entspreche eher der eines Wolfs und müsse durch das »Über-Ich« reguliert werden.

Verhängnisvoller Besitz

Von Westphalen berichtet jedoch von zahlreichen Studien, die eher für das Gegenteil sprechen: Menschen sind demnach altruistisch und kooperativ, haben ein sensibles Gespür für Gerechtigkeit, Empathie und Fairness, agieren oft aus innerem Antrieb heraus und sind nicht überwiegend von materialistischen Interessen getrieben. Jahrtausendelang lebten Jäger und Sammler friedlich zusammen; kriegerische Auseinandersetzungen traten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge erst im Zuge der Sesshaftigkeit und des Anhäufens von Besitz auf.

Der Autor ist deshalb davon überzeugt, dass der Mensch als Altruist geboren werde, während berechnendes Verhalten, das auf den eigenen Vorteil abzielt, erlernt werde. Um diese These zu untermauern, führt von Westphalen vor allem Studien mit unter Dreijährigen an. Da unser derzeitiges Wirtschaftssystem allerdings Egoismus, Konkurrenz und Materialismus belohne, meint er, sei es ohne aktives Gegensteuern unausweichlich, dass wir uns im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung immer mehr zum kapitalistischen Menschenbild hin entwickelten. Daher sei es wichtig, Menschen über ihre eigentliche Natur aufzuklären, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verändern und eine nachhaltige Wirtschaft anzustreben.

Über manche Textpassagen muss man ein wenig nachdenken, vor allem wenn einem die erwähnten Theorien und Studien nicht geläufig sind. Abgesehen davon ist das Werk gut verständlich. Es bietet kapitalismuskritischen Leser(inne)n eine Fundgrube an Argumenten. Letztlich beschränkt sich der Autor aber darauf, das von ihm verortete kapitalistische Menschenbild in Frage zu stellen. Man wartet vergeblich auf einen Gegenentwurf. Wie könnte ein Wirtschaftssystem aussehen, das unserer Natur besser entspricht und unsere kooperativen Seiten fördert? An diese entscheidende Frage wagt er sich leider nicht heran.

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