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»Die Wildnis der Zukunft«: Berechtigter Optimismus?

Heinz Krimmer zählt auf das Engagement der Jugend und auf die Arten, die sich dem Klimawandel anpassen. Sein gelungenes Buch informiert umfassend zur Biodiversität.
Kleines Mädchen betrachtet eine Kapuzenkrähe. Der Vogel scheint mit ihr zu sprechen.

Heinz Krimmer ist Journalist und hat sich bisher vor allem mit dem Thema »Meer und Meeresbewohner« beschäftigt. In diesem wunderschön bebilderten Buch gelingt ihm nun eine detailreiche Bestandsaufnahme dazu, wie es um die Artenvielfalt unserer Erde bestellt ist, und zwar zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Dabei erläutert er immer wieder die komplexen Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ökosystemen.

Sein Vorwort beginnt Krimmer mit einem »Plädoyer für mehr Optimismus«. Seine Schilderung der aktuellen Fakten lässt allerdings ein eher trauriges Szenario entstehen. Wenn er von Optimismus spricht, dann deswegen, weil die Menschen inzwischen so viel über die Natur und ihre komplexen Ökosysteme wissen würden, dass es genügend gute Konzepte gebe, um unseren schädlichen Einfluss auf das Klima zu begrenzen. Seiner Meinung nach sind die Auswirkungen des Klimawandels davon abhängig, wie schnell wir die Klimawende schaffen. Dabei zählt er insbesondere auf die junge Generation. Die Frage, ob wir die Klimawende schaffen, stellt er gar nicht mehr.

Krimmer meint, eine Wildnis im Sinne einer von uns unberührten Natur gebe es kaum noch. Selbst im Himalaya und in der Tiefsee im Marianengraben habe man Plastikteilchen gefunden. Abgesehen von kümmerlichen zwei Prozent der bewohnbaren Landfläche sei Europa eine einzige Kulturlandschaft. Laut Krimmer muss eine gepflegte Kulturlandschaft aber nicht unbedingt schlecht sein. Würde man sie so gestalten, dass in ihr die Artenvielfalt gefördert werde, könne sie auch ein Lebensraum für wilde Tiere sein. Als Beispiel führt er beweidete Almwiesen an, die um ein Vielfaches artenreicher seien als verbuschte, brachliegende Bergflächen.

Krimmer zeigt anhand zahlreicher Fälle, wie sich die Natur den Lebensraum Stadt erobert. Tatsächlich sei die Artenvielfalt in Städten sogar größer als in intensiv bewirtschafteten Agrargebieten. Sich selbst überlassene Schutzgebiete oder auch der typisch deutsche Mittelgebirgsbuchenwald seien dagegen eher artenarm. Einige Tierarten scheinen sich an die menschlichen Kulturlandschaften so gut anzupassen, dass ihre Anzahl wieder zunimmt, so wie beispielsweise Braunbären, Wölfe, Seeadler oder Biber. Ein außergewöhnliches Beispiel für das »Zusammenleben« von Menschen und wilden Tieren ist Mumbai. In der Millionenstadt streifen nachts Leoparden aus dem angrenzenden Nationalpark durch die Straßen und fressen streunende Hunde, die häufig Überträger der Tollwut sind. Dieser Tatsache wird sogar ein Nutzen für die öffentliche Gesundheit zugeschrieben.

Das große Insektensterben

Die aktuell gefährdetste Tiergruppe seien die Insekten, sagt Krimmer. Die industrielle Landwirtschaft, die Pestizide und Düngemittel einsetzt, sorge dafür, dass Insekten und im Wasser lebende Weich- und Wirbeltiere verschwänden – und mit ihnen alle Tierarten, die sich von ihnen ernähren. Der Autor vergleicht das Artensterben mit einer biologischen Atombombe. Würde man verloren gegangene Lebensräume wiederherstellen – beispielsweise durch mehr Säume, Sträucher und Blühflächen –, hätten Insekten wieder eine Chance. Selbst kleine Flächen wie eine Fensterbank könnten Insekten ein Zuhause bieten. Hier gilt: je unordentlicher, desto besser! Denn Ordnung im Garten sei gleichzusetzen mit »biologisch tot«.

Es gibt aber auch gute Nachrichten, sagt der Autor. Beispielsweise habe die EU Produkte verboten, für die Regenwald abgeholzt wird. Zudem habe die UN ein Abkommen zum Schutz der Hohen See auf den Weg gebracht. Und die rund 200 Staaten, die an der 15. Weltnaturkonferenz im Dezember 2022 in Montreal teilgenommen haben, sind eine Verpflichtung eingegangen: Sie wollen erreichen, dass bis 2030 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meerflächen unter Schutz gestellt werden. Initiativen auf nationaler Ebene wie »Moor Futures« zur Renaturierung von Mooren, deren CO2-Zertifikate bereits ausverkauft sind, oder das ehrenamtliche Engagement zahlloser Insektenbeobachter, die den Insektenschwund endlich mit Zahlen belegt haben, sind weitere Belege dafür, dass immer mehr Menschen handeln wollen.

Oftmals sei es nicht sicher absehbar, wie genau sich eine Art oder ein Ökosystem durch den Klimawandel verändern werde, erläutert Krimmer. Einige Organismen scheinen mit der Erwärmung recht gut zurechtzukommen und profitieren sogar davon. Andere wandern einfach in andere, kühlere Regionen aus. Beispielsweise eröffnen der Suezkanal und der Panamakanal manchen Arten völlig neue Ausbreitungsmöglichkeiten. Sogar die gigantischen Müllstrudel mitten in den Ozeanen bilden neue Lebensräume, und in der Tiefsee wurden Bakterien entdeckt, die Plastik abbauen.

Krimmer bringt in seinem Buch höchst interessante Fakten, manchmal erscheinen sie allerdings etwas unstrukturiert. Dennoch: Jeder, der sich für das Thema Artenvielfalt und Klimawandel interessiert, findet hier ein ausgesprochen schönes Buch mit tollen Bildern, anschaulichen Grafiken und vielen Informationen zur Biodiversität. Durch Unterteilungen und hervorgehobene Kernsätze wird der Text gut lesbar. Krimmer macht in seinem Buch deutlich, wie wichtig eine große Artenvielfalt für die Erde ist. Neben altbekannten Mechanismen zeigt er auch viele unerwartete Zusammenhänge auf und präsentiert einige Lichtblicke für die Zukunft der Erde.

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