»Die wirklich wahren Abenteuer und außerordentlichen Lehrjahre des Teufelskerls Daniel Bones«: Draufgänger im Rettungsanzug
Das Meer schäumt, die Oberfläche wird immer mehr aufgewühlt, Luftblasen spritzen aus dem dunklen Nichts nach oben und zur Seite. Was da aus der schmutzigen Brühe der Nordsee auftaucht, sieht zuerst aus wie ein Seehund. Erst aus der Nähe erkennt Daniel Bones, dass es ein auf dem Rücken liegender Mensch ist, der in einem aufgepumpten Gummianzug näherkommt. Der Junge kann es kaum glauben, so etwas hat er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen.
Der Autor Owen Booth erzählt, wie Ende des 19. Jahrhunderts ein Abenteurer und Draufgänger in einem Anzug aus Gummi die Seenotrettung revolutionieren will. Die Geschichte schildert der Autor Booth jedoch nicht aus der Sicht des Abenteurers, den er Captain Clarke B. nennt, sondern aus der Sicht seines Gehilfen Daniel Bones, der den Abenteurer auf seiner Reise durch Europa begleitet.
Der jugendliche Bones wächst unter ärmlichen und äußerst trostlosen Umständen mit seinem alkoholkranken, gewalttätigen und selbstmitleidigen Vater in einem kleinen Fischerdorf in der englischen Marsch auf. Er weiß nicht, ob er 15 oder 16 Jahre alt ist, und er verdient seinen Lebensunterhalt als Handwerkslehrling, Austernzüchter, Fischergehilfe, Koch, Putzmann und Helfer für alle Fälle. Für ihn und alle anderen Bewohner des Fischerdorfes gibt es keine Zukunftsperspektiven. Die Chance zum Aufbruch bietet sich ihm, als plötzlich Captain Clarke B. als Froschmann aus den Fluten des Flusses auftaucht und ihm anbietet, für ihn als Assistent zu arbeiten. Der Captain will den von ihm erfundenen und patentierten aufblasbaren Anzug, mit dem in Seenot Geratene gerettet werden können, in einer Werbetour bekannt machen.
Eine abenteuerliche Reise, mitreißend erzählt
Der Roman basiert auf der wahren Geschichte des Paul Boyton, der schamlos das Patent für einen schwimmenden Ganzkörperanzug des ursprünglichen Erfinders Clark Merriman ausnutzt, den Anzug als seinen eigenen ausgibt und selbst vermarktet. Die Romanfigur scheint also der realen Person sehr nahe zu kommen. Der Captain entpuppt sich im Laufe der Zeit als charmanter Menschenfänger, charismatischer Erzähler seiner eigenen und erfundenen Abenteuer sowie als talentierter Verkäufer der lebensrettenden Eigenschaften des Anzugs. Und es ist ein außerordentliches Lesevergnügen zu verfolgen, wie der völlig unerfahrene Gehilfe nach und nach erkennt, wie er ausgenutzt wird. Doch er sieht seinen Job als Chance, der dörflichen Tristesse zu entkommen und zu lernen.
Die Reise führt dabei von Dover durch Länder wie Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland und die Schweiz – auf allen möglichen Wasserwegen wie Flüssen, Seen und Kanälen sowie durch Sümpfe. Die Auftritte finden statt in Städten und auf dem Land, häufig improvisiert auf Märkten und in Kundgebungen, auf landwirtschaftlichen Ausstellungen, bei Einweihungen von Brücken und Fabriken. Je nachdem, ob das verdiente Geld reicht oder nicht, übernachten die beiden Abenteurer in Hotels, Absteigen, halb versunkenen Kähnen, bei solventen Witwen, alleinstehenden Damen und anderen Gönnern, in Scheunen oder oft unter freiem Himmel. Es ist eine Reise durch verschiedene Gesellschaften; so treffen die beiden auf hochnäsige Gelehrte einer Universität, degenerierte Adlige und wissensbegierige junge Frauen.
Tod, Unglück, Diebstähle, Terroranschläge, Schlägereien, Verfolgungsjagden, Verletzungen, Hunger und Entbehrungen und immer wieder überraschende Wendungen wie aus einem Roman von Mark Twain machen die Geschichte zu einem kurzweiligen und spannenden Lesevergnügen. Obendrein erzählt sie eindrücklich von der beschwerlichen Arbeit, in der damaligen Zeit eine Innovation anzupreisen und Sponsoren zu finden.
Der Icherzähler Daniel Bones macht während der mehrjährigen Reise einen erstaunlichen Reifeprozess durch. Er verzeichnet nicht nur einen beachtlichen Muskelzuwachs durch das anstrengende Training auf dem Wasser und die beschwerlichen Transporte. Er lernt auch eine Menge über Wissenschaft, Philosophie, Geschichte, Geografie und das Leben.
Der Debütroman von Booth über die abenteuerliche Reise von Daniel Bones und Captain Clarke B. ist so humorvoll, spannend und mitreißend erzählt, dass das Ende fast zu schnell kommt. Und man vielleicht sogar noch einmal von vorn anfängt, um die Geschichte erneut zu genießen. Sehr lesenswert.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben