Der Mensch und sein Paradies
In ihrem Buch, das im englischen Original »Losing Eden« heißt, stellt Lucy Jones sich zu Beginn vor, wie eine Zukunft aussehen könnte, in der wir die Natur weitgehend zerstört haben. Kiefern, Zitronenfalter, Veilchen und Wühlmäuse gibt es nicht mehr. Was würde das für den Menschen bedeuten?
Zurück ins Gleichgewicht
Ausgehend von dieser Frage überlegt die Journalistin, die unter anderem für den »Guardian«, die »Sunday Times« und die BBC über Gesundheits- und Umweltthemen berichtet, welche Rolle die Natur in ihrem Leben bisher gespielt hat. Ihre Psyche, so erzählt sie, war nicht immer im Gleichgewicht. Jones musste sich mehrfach wegen Suchtproblemen behandeln lassen. Halt fand die Britin mit der Zeit in der Natur, zum Beispiel im Birnbaum vor ihrem Fenster, der sie mit seinem wechselnden Blätterkleid in den Jahreszeiten verankerte. Dieser Heilkraft der Natur ging sie daraufhin auf den Grund.
Wir sollten mehr staunen
Bei ihrer Recherche stieß sie etwa auf das Gefühl der Ehrfurcht, für das sich Forscher seit einigen Jahren interessieren. Staunen, so Jones, könne erwiesenermaßen Stress reduzieren und zu mehr Glücksempfinden führen. Laut einer Studie der Psychologin Jennifer Stellar von der University of Toronto können positive Emotionen bestimmte Zytokinwerte, die als Biomarker für Entzündungen gelten, im Körper senken. Besonders leicht wecken beeindruckende Naturkulissen wie ein Wasserfall oder das majestätische Blätterdach des Waldes Ehrfurcht.
Dass wir so stark auf bestimmte Landschaften reagieren, liegt – so Jones – am evolutionären Erbe unserer Spezies. Demnach ist unsere ästhetische Präferenz für Schatten spendende Laubbäume und saftige Wiesen am Gewässerrand fest in den Genen verankert. Gespräche mit dem bekannten Biologen E. O. Wilson bringen sie auf das Konzept der Biophilie – die Idee, dass Menschen eine emotionale Zugehörigkeit zu allem Lebendigen empfinden. So fühlen sich etwa schon kleine Kinder zu Tieren hingezogen, und Städter füllen ihre Wohnungen mit Topfpflanzen.
Einen Beleg für die Wirkung der Natur auf Körper und Geist sieht die Autorin unter anderem in einer Studie, die zeigte, dass Krankenhauspatienten, die aus ihrem Fenster auf Grün blickten, schneller genasen und weniger Schmerzmittel benötigten als jene, die auf eine Mauer blickten. Hier wurden allerdings nur 46 Patienten untersucht. Auf solche Einschränkungen und andere methodische Probleme der angeführten Studien geht die Autorin in ihrem Plädoyer leider kaum ein. Trotzdem ist ihre Argumentation alles in allem überzeugend und bestätigt ein Gefühl, das viele längst beschlichen hat: Wir brauchen den Kontakt zur Natur, um glücklich zu sein – und sollten gut auf sie Acht geben.
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