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»Dumm wie ein Fisch?«: Fische: schlau wie Hulle

Von wegen langweilig: Mit Hingabe beschreibt der Autor die oft unbekannten Fähigkeiten von Fischen, sieht aber düster in die Zukunft.
Bunte Fische schwimmen an einem Korallenriff im Roten Meer in Ägypten

Wenn ein Fisch am Haken hängt und um sein Leben zappelt, sei es nur ein Reflex: So heißt es oft unter Anglerfreunden. Doch das ist beileibe nicht so. Im Gegenteil, Fische empfinden durchaus Schmerzen. Eine Begründung lautete, dass Fische eben keine Großhirnrinde dafür haben wie Säugetiere. Und weil sie eben nicht wimmern oder schreien, wenn sie gequält werden, ist es einfach, ihnen zu unterstellen, sie würden nicht leiden. Doch im Versuch weichen Fische schmerzauslösenden Reizen aus, atmen hektischer, fressen nicht mehr und versuchen, diesen Schmerzquellen zu entfliehen – und sie erinnern sich daran, wie der Autor Horst Bleckmann mit Bezug auf viele Forschungsarbeiten dazu anführt.

Ob Aal, Kabeljau, Forelle, Guppy oder Elefantenrüsselfisch, Bleckmann zeigt in seinem Buch komplexe Wesen mit vielen Sinnen und viel Gehirnleistung. Er war Professor für Sinnes- und Neurobiologie und forschte selbst zu der 3-D-Wahrnehmung von Nilhechten, dem siebten Sinn schwach elektrischer Fische oder den Barthaaren von Seehunden als Navigationshilfe. Auf jeder Seite ist seine Begeisterung für die Wasserwesen zu spüren. Dadurch und mit Forschungsergebnissen und Vergleichen zu den Landtieren lässt er neues Bild mit Wow-Effekt über die Neurobiologie der Fische entstehen.

Beachtliche Fischleistungen

Es sind Lebewesen, die auch ohne Großhirn Farben sehen, magnetische Felder spüren oder elektrische Signale verwerten. Sie riechen, können zählen, haben Angst, ertasten ihre Umgebung, erkennen Jahreszeiten, sind je nach Persönlichkeit ängstlich oder furchtlos, und wenn es ihnen zu dunkel ist, produzieren sie ihr eigenes Licht. Mit ein wenig Training können sie sogar Dreiecke von einem Kreis unterscheiden. Bleckmann stellt die Forschung dazu vor, darunter auch viele eigene Ergebnisse. Einiges von Bleckmanns Forschung präsentiert auch der Wissenschaftsjournalist Ed Yong in seinem Bestseller »Die erstaunlichen Sinne der Tiere«.

Der Verlag bezeichnet »Dumm wie ein Fisch?« als Sachbuch, und so unterhaltsam ist es zu lesen; dank der Fülle der Informationen verdient es aber auch den Titel Fachbuch. Bleckmann geht inhaltlich in die Tiefe, erklärt im Detail und verständlich, da er oft auch kurz die Grundlagen anführt: Wie ist ein Gehirn aufgebaut, was sind neuronale Karten eines Fischgehirns, oder wie misst man überhaupt Intelligenz?

Bleckmann schreibt immer mit Achtung von den Leistungen dieser Fische. Und eigentlich sei es eh unerklärlich zu denken, Fische könnten dumm sein, nur weil ein Goldfisch stupide in einem bauchigen Glasgefäß herumschwimmt. Wie Landwesen müssen sie Beute erkennen, gefräßigen Feinden aus dem Weg schwimmen, ihr Revier verteidigen, die besten Geschlechtspartner finden und auch andere Unterwassergefahren erkennen und im Gedächtnis behalten.

Langsames Hodenwachstum durch Hormone

Doch auch wenn Fische vielen Gefahren ausweichen können, bei einigen klappt das nicht. Und so fügt Bleckmann nach den Kapiteln zu den Sinnen und kognitiven Fähigkeiten die Bedrohungen durch die Menschen an. Knapp, kurz und ziemlich vollständig schildert er, wie Verschmutzungen mit Hormonen das Hodenwachstum von Forellen verlangsamen, welche negativen Folgen Flussbegradigungen haben oder welche Schäden durch Lärm im Meer oder Fischfarmen auftreten. Zum Schluss wird klar: Bleckmann ist resigniert, was den Menschen betrifft, und beklagt, »dass unser Gehirn die mit exponentiellem Wachstum verbundenen Gefahren nicht einschätzen kann und dass exponentielles Wachstum in einem begrenzten System wie der Erde früher oder später zur Katastrophe führen muss«. Schuld ist auch die Politik, deren Angst vor Verlust von Wählerstimmen, eine mächtige Fischereilobby und das Leugnen von Fakten – all das und mehr würden Naturschutzmaßnahmen verhindern oder abschwächen. Für ihn ist es nicht kurz vor zwölf, um die Welt zu retten, sondern bereits halb eins. Er geht davon aus, dass in wenigen Jahrzehnten viele Arten nicht mehr existieren werden. Wer das Buch gelesen hat, dem wird noch mehr bewusst, was die Welt dadurch verliert.

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