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Das Gute maximieren

"Effektive Altruisten" haben ein großes Ziel: so viel Gutes wie möglich zu tun. Die Mitglieder der vor rund fünf Jahren in den USA und Großbritannien entstandenen Bewegung zeichnen sich dadurch aus, dass sie meist bescheiden leben, sich die bestbezahlten Jobs suchen, um so viel Geld wie möglich spenden zu können, und sich genau informieren, welche Hilfsorganisation am effektivsten arbeitet, statt den Großteil der Spendengelder in der Verwaltung zu versenken. Auch der Autor selbst, ein bekannter australischer Ethiker, ist effektiver Altruist und spendet momentan ein Drittel seines Einkommens.

Bei der Entscheidung, dieser Bewegung beizutreten, spielen laut Singer weniger Emotionen eine Rolle als vielmehr utilitaristische, vernünftige Überlegungen: Wie viele Leben kann man retten, wenn man auf die Mitgliedschaft im Fitnessstudio verzichtet? Letztlich kommen dabei natürlich wieder Gefühle ins Spiel – andere glücklich zu machen, macht einen oft selbst glücklich.

Kalkulation des Guten

Doch zuvorderst legt Singer den Fokus auf rationale Überlegungen. Rund die Hälfte des Buchs jongliert er mit Zahlen herum: Wenn man 100.000 Euro hat, wie vielen Blinden in Schwellenländern kann man damit das Augenlicht wiedergeben, oder wie viele Menschen mit der Erweiterung eines Museums glücklich machen? Und welche der beiden möglichen Maßnahmen ist wie viele Male wichtiger? Nüchtern wägt der Autor dabei Menschenleben (oder Tierleben) gegeneinander ab.

Immer wieder erzählt der Ethiker exemplarisch von Mitgliedern der Bewegung. Alexander Berger etwa las als Ethikstudent Texte von Singer und hörte von jemandem, der seine Niere einem Unbekannten schenkte. Das bewegte ihn dazu, selbst eine Niere herzugeben; für eine Firma zu arbeiten, die Wohltätigkeitsorganisationen nach ihrer Effektivität beurteilt; und bis zu 20 Prozent seines Gehalts zu spenden.

Besonders gut bezahlte Berufe sind allerdings oft solche, die für das System Kapitalismus besonders relevant sind und daher aus altruistischer Sicht häufig Schlechtes bewirken. Wenn effektive Altruisten solche Jobs wählen, ist das kritikwürdig. Dem hält Singer das Argument entgegen, das Gute, das die effektiven Altruisten mit ihren hohen Spenden bewirken, überwiege das berufsimmanente Schlechte.

Blick herab

Unnötig erscheint, wie der Autor Personen niedermacht, die nur kleine Geldbeträge spenden. Ihnen gehe es nicht ums Helfen, meint er, sondern allein um das gute Gefühl moralischer "Hochwertigkeit". Der Ethiker vermittelt hier den Eindruck, nur vier- bis neunstellige Spenden seien ehrenwert. Und auch nur dann, wenn sie "Unverzichtbares" unterstützen.

Singers Werk liefert einen interessanten Einblick in eine Bewegung, die fraglos unzählige Menschen- und Tierleben gerettet oder verbessert hat. Schade jedoch, dass sein Blick auf die Welt, als der eines effektiven Altruisten, oft überheblich erscheint. Ständig unterteilt der Autor in wichtig und unwichtig, gut und schlecht. Das verleiht der Lektüre eine unangenehme Note.

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