»Eine neue Geschichte der Säugetiere«: Wie Säugetiere die Welt eroberten
Steve Brusattes »Eine neue Geschichte der Säugetiere« beginnt ikonisch: Ein kleines, behaartes Tier steckt seine Nase zwischen den Rippen eines T.-rex-Skeletts hervor und schnuppert, ob Gefahr droht. Doch die meisten Dinosaurier sind durch die Folgen des Asteroideneinschlags vor rund 66 Millionen Jahren ausgestorben – das Zeitalter der Säugetiere bricht an.
Es erscheint folgerichtig, dass Brusatte, der sich zuvor mit Dinosauriern befasst hat, nun ein Buch über die, neben den Vögeln, erfolgreichste Wirbeltierklasse geschrieben hat, deren am weitesten verbreiteter Vertreter der moderne Mensch Homo sapiens ist. Ihm räumt der Autor auf 528 Seiten aber nur wenig Platz ein. Aus nachvollziehbarem Grund: Trotz seiner vielen außergewöhnlichen Eigenschaften ist der Mensch eines von derzeit mehr als 6000 lebenden bzw. eines von Millionen von einzigartigen Säugetieren, die die Evolution im Laufe von rund 200 Millionen Jahren hervorgebracht hat – und auf die will der Autor angesichts des derzeitigen Artensterbens mit seinem Buch aufmerksam machen. Einige an Filmszenen erinnernde Passagen schildert er deshalb wohl ganz bewusst aus der Perspektive eines Tieres, zum Beispiel eines Mammutbullen, der eiszeitlichen Jägern zum Opfer fällt.
Spannende Geschichte vom Entstehen und Aussterben
Ohne in den Medien beliebte Arten wie etwa die Säbelzahnkatzen der Gattung Smilodon wäre ein Buch über ausgestorbene Säugetiere wohl weniger ansprechend geworden. Brusatte legt den Fokus zum Glück aber nicht nur auf einzelne charismatische Arten früherer Epochen. Vielmehr schildert er die unglaubliche Geschichte einer Tierklasse, von der es bestimmten Arten gelang, sich immer wieder von Neuem an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen und sogar Lebensräume wie das Meer und die Luft zu erschließen, wohingegen unzählige andere, wahrscheinlich oft durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren wie etwa Klimaveränderungen und eine niedrige Geburtenrate, ausstarben. Obwohl der Mensch dabei wie angekündigt nicht im Vordergrund steht, enthält das Buch auch interessante Schilderungen über die Leben von Paläontologinnen und Paläontologen wie Zofia Kielan-Jaworowska (1925–2015), die während des Zweiten Weltkriegs zunächst heimlich Uni-Kurse in Zoologie belegte und deren spätere Expeditionen in die Mongolei der Wissenschaft unzählige Fossilien und Erkenntnisse bescherten.
Von der Entwicklung des namensgebenden Merkmals der Säugetiere – den Milchdrüsen – bis hin zur Frage, warum Riesen wie das prähistorische Nashorn Paraceratherium an der Eozän-Oligozän-Grenze vielleicht ihre maximale Körpergröße erreicht haben, behandelt der Autor fast alles, was man bisher zu dem Thema weiß oder zumindest annimmt. Dass die Formulierungen in wenigen Fällen etwas ungenau oder sogar reißerisch sind – so war der madagassische Elefantenvogel Aepyornis maximus wahrscheinlich eher der schwerste als der größte Laufvogel, der je über den Planeten gestampft ist –, ist angesichts des geballten Informationsgehalts und Unterhaltungswerts des Buchs verzeihlich.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben