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»Endzeit«: Dauerkrise statt Weltuntergang – ein Beruhigungsversuch

Der Journalist Christian Jakob legt eine Bestandsaufnahme vor, die zeigt: Die Zukunft ist düster, aber der Weltuntergang bleibt wohl vorerst aus.
Roter Himmel, dunkle Gebäude, irgendwas Robo-artiges im Vordergrund - fertig ist das dystopische Apokalypse-Symbolbild.

Nicht nur Klimaaktivisten von »Extinction Rebellion« (auf Deutsch etwa: »Aufstand gegen das Aussterben«) oder der Gruppe »Letzte Generation« warnen vor dem Ende der Zivilisation durch die Erderwärmung. Auch Wissenschaftler wie der Nachhaltigkeitsforscher Jem Bendell reden vom drohenden Zusammenbruch, und in einem Bericht des Europäischen Strategie- und Politikanalysesystems (ESPAS) von 2019 heißt es: »Im schlimmsten Fall bedeutet ein weiterer Temperaturanstieg das Aussterben der gesamten Menschheit.« Woher kommt diese Angst vor dem Weltuntergang? Wie kurz steht die Menschheit tatsächlich vor dem Kollaps? Und: Welche Rolle spielen Medien und Wirtschaftsinteressen bei der ständigen Verkündung der drohenden Apokalypse? Diesen Fragen widmet sich der »Taz«-Journalist Christian Jakob in seinem Buch »Endzeit«.

Das Verständnis vom Weltuntergang hat sich in der Moderne grundlegend gewandelt, so eine seiner Eingangsthesen. In den vormals religiös bestimmten Gesellschaften war das Ende nämlich vielmehr ein Neuanfang – es wartete das Paradies oder die Neugeburt. Heute stehen Hiobsbotschaften nicht mehr in der Bibel, sondern in wissenschaftlichen Aufsätzen, und »Weltuntergang« meint auch wirklich: Schluss, aus, Ende!

Es gibt Katastrophen, aber vermutlich so schnell keinen Weltuntergang

Diese Entwicklung sei älter, als viele denken, so der Journalist. Er verweist unter anderem auf das Buch »Die Wüste droht. Die gefährdete Nahrungsgrundlage der menschlichen Gesellschaft« des Politikers Anton Metternich aus dem Jahr 1947. Wirklich en vogue wird das Prophezeien der Apokalypse dann ab den 1970er Jahren. Der Club of Rome veröffentlicht seinen Bericht »Die Grenzen des Wachstums«, Politiker und Umweltverbände warnen vor einem »ökologischen Hiroshima« oder »ökologischen Holocaust«. Im Vergleich dazu wirken die heutigen Hilferufe geradezu gemäßigt.

Nach einer kurzen Geschichte der Apokalypse als Genre widmet sich Jakob den Krisen der Jetztzeit: Pandemie, Welthunger, Angst vor einem Atomkrieg und einer bösartigen künstlichen Intelligenz. Besonders ausführlich diskutiert der Journalist aber die Klimakrise – auf der Suche nach dem schmalen Grat zwischen Panikmache und Verharmlosung. Er beobachtet, dass die wissenschaftlichen Prognosen um das Jahr 2017 herum noch um einiges düsterer waren, als sie es heute sind. Damals schienen fünf Grad Erwärmung im Jahr 2100 als Worst-Case-Szenario durchaus plausibel – und die lauten Warnungen aus der Wissenschaft angebracht. Heute sind die Vorhersagen genauer; aktuell steuern wir wohl auf ein Plus von zwei bis drei Grad zu, auch dank politischer Anstrengungen und dem Druck sozialer Bewegungen wie »Fridays for Future«. Im Jahr 2023 das Ende der Zivilisation oder gar den Weltuntergang an die Wand zu malen, sei daher überzogen.

Doch das soll nicht über die katastrophalen Konsequenzen der Klimakrise hinwegtäuschen, die zwar nicht die Erde, doch aber die Welten vieler ihrer Bewohner zerstören wird. Wie sieht also eine angemessene Kommunikation aus? Jakob beleuchtet die Rolle der Medien kritisch, schreibt aber auch: »Wer allerdings den Medien vorwirft, Panik zu verbreiten, macht es sich zu leicht.« Denn es sei deren Aufgabe, zu hinterfragen und frühzeitig zu warnen. Die pessimistische Grundhaltung sei eine Nebenwirkung dessen. Sein Vorschlag: Medien sollten sich in der Berichterstattung darum bemühen, Handlungsoptionen aufzuzeigen – die gebe es nämlich reichlich. Schließlich sind Prognosen über das Weltklima genau das: Schätzungen und keine Weissagungen.

In »Endzeit« schreibt Jakob unaufgeregt über die großen Aufreger unserer Zeit. Das Buch ist allen zu empfehlen, die verstehen möchten, warum der Weltuntergang wieder einmal Konjunktur hat, und zwar nicht nur in Bezug auf die Klimakrise. Ganz besonders ist es jenen ans Herz zu legen, die sich um ihre Zukunft sorgen – oder um die ihrer Kinder. Sicher, die Zukunft wird düster, für manche gar katastrophal, so die Botschaft. Doch der Weltuntergang wird so bald nicht eintreten: Willkommen im Zeitalter der Dauerkrise! Psychologisch interessant ist, dass dem Autor dieser Beruhigungsversuch tatsächlich gelingt.

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