Eine (notwendige) Zumutung
Das Buch ist ein Appell. Und der beginnt schon auf der ersten Seite in der zweiten Zeile mit der lautesten aller möglichen Alarmglocken: »Bekommen wir die Klimakrise nicht in den Griff, wird sie voraussichtlich unsere komplette Zivilisation zerstören.« Das muss man erst mal sacken lassen. Ähnlich apokalyptische Worte findet man im weiteren Buch nicht, klare Mahnungen ziehen sich aber wie ein roter Faden durch das gesamte Werk: »kommenden Generationen eine Chance geben«, »die Welt retten«, »ein lebenswerter Zustand«, »nicht mehr warten« sind nur einige Beispiele dafür.
Was ist machbar – und was bleibt ein Wunschtraum?
Nach einer grundsätzlichen Abhandlung der naturwissenschaftlichen Hintergründe des Klimawandels und der internationalen sowie nationalen Klimapolitik (die nicht gut wegkommen) beschäftigen sich die Informatikerin Cornelia Quaschning und ihr Mann Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme, in zehn weiteren Kapiteln mit verschiedensten Technologien. Sie untersuchen unter anderem, ob diese geeignet sind, um einen Ausweg aus Klimakrise zu bieten. Thematisiert werden etwa Fotovoltaik und Windenergie, Wasserstoff, Elektromobilität sowie Energieimporte. Dabei sprechen die Autoren auch andere Aspekte, wie die individuelle Ernährung an.
Das Duo bringt die relevanten Themen auf den Punkt und rechnet klar aus, was machbar ist und was sich eher als Wunschtraum entpuppen dürfte. Unter dem Strich ergibt sich ein sehr klares Fazit: Es braucht vor allem Wind- und Solarenergie. Die Quaschnings machen unmissverständlich klar, dass ein Wiederaufleben der Kernenergie keine Lösung ist und aktuell nur drei Prozent des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland deckt. Nein, auch das Entziehen von Kohlendioxid aus der Luft und unterirdisches Speichern sei keine Option. Ebenso wenig sei Wasserstoff eine Lösung für Pkw. Stattdessen sollte sich die Technologie auf begrenzte Einsatzgebiete wie Langzeitstromspeicherung, Industrie sowie Flug- und Schiffsverkehr beschränken. Und ja: Es brauche bessere Wärmedämmung und Wärmepumpen, Elektromobilität mit echtem grünem Strom aus erneuerbaren Energien, eine Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie und veränderte Ernährungsgewohnheiten. Das Duo rechnet auch vor, wie das möglich ist, ohne dass alles teurer wird. Im Gegenteil: Strom aus neuen Kernkraftwerken, so schreiben sie, sei sogar zwei- bis dreimal so teuer wie jener aus neuen Fotovoltaikanlagen.
Der Appell ist zweifelsohne richtig, und den Wegen, die die Quaschnings aufzeigen, sollte man folgen. Sie schreiben nicht nur darüber, sondern leben ihre Überzeugungen auch: Sie versorgen ihr Elektroauto mit eigenem Solarstrom, ernähren sich vegan und haben ihr Haus energieeffizient aufgestellt. Zum Teil wirken Sätze wie »Wir würden heute auch nie wieder in ein schlecht gedämmtes Gebäude ohne automatische Lüftung ziehen wollen« oder »Wir fliegen deshalb seit einiger Zeit nicht mehr … Es ist erstaunlich, dass viele Menschen das Fliegen toll finden. Vermutlich bedient es die Sehnsucht nach verklärten Reisezielen« etwas elitär. Auf lange Sicht rechnet sich die perfekte Dämmung sicherlich, aber die Grundinvestition muss man sich erst einmal leisten können. Ganz zu schweigen von Mietern, die froh sind, überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden – dann tritt die automatische Lüftungsanlage auf der Prioritätenliste wahrscheinlich etwas in den Hintergrund.
Obwohl das Buch das inzwischen durchaus vorhandene Klimabewusstsein der Menschen an der einen oder anderen Stelle unterschätzt, ist es gleichwohl lesenswert und zeigt die notwendigen Schritte klar auf. Jetzt müssen sie nur noch gegangen werden.
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