Leichtes Lernen mit Lesch und Co.
Der ein oder andere schaut vielleicht vor der Lektüre nach, ob das Buch tatsächlich vom bekannten Physiker und Philosophen Harald Lesch und seinem Sohn Florian, Ingenieur für Energietechnik, geschrieben wurde. Das Ergebnis: ist es. Und von Christian Holler und Joachim Gaukel, beides Professoren im Ingenieurbereich. Alle vier erläutern auf leichte Weise, wie erneuerbare Energien funktionieren und welches Potenzial sie in Deutschland haben.
Die Mission der Autoren ist es, ein Gefühl für Energie zu vermitteln. Das gelingt ihnen durch drei wichtige Punkte: Erstens springen sie nicht unvermittelt von Leistung zu Stromverbrauch oder von Primär- zu Endenergieverbrauch, sondern erklären Schritt für Schritt das Grundlegende. Zweitens rechnen sie Energie in greifbare Größen wie Radfahrereinheiten um – so ergeben zehn Stunden Strampeln rund eine Kilowattstunde an Energie. Eine Einheit, die sich viele besser vorstellen können als Giga- oder Megawatt. Drittens haben sie das Buch in ein modernes Design in blassen, unaufdringlichen Farben verpackt. Die fünf beteiligten Designer haben auch Zahlen und Diagramme anschaulich gestaltet, was das Verständnis erhöht.
Damit lässt sich erkennen, wie viel Fläche Windräder, Biopflanzen oder Solarzellen brauchen. So benötigt man für eine Kilowattstunde zwei Quadratmeter Fotovoltaik auf dem Dach, 16 für Windräder an Land oder 200, um Pflanzen für Biodiesel anzupflanzen. Gezeitenenergie oder die von Wellen erzeugte stellen die Autoren auch vor, bewerten sie aber für Deutschland als nicht relevant. Denn Küsten würden dadurch zu stark verändert und der Energiegewinn fiele zu gering aus.
Warum sie allerdings am Ende die Kernkraft vorstellen, erschließt sich nicht. In Deutschland ist sie als Option ausgeschlossen, und erneuerbar ist sie auch nicht. Greenpeace schätzt, dass die Vorräte an weltweit wirtschaftlich verfügbaren Uran in etwa 65 Jahren erschöpft sein werden. Die Autoren erklären Kernkraftwerke im Buch als CO2-neutral, was aber falsch ist, wie unter anderem das Umweltbundesamt hervorhebt. Denn man darf nicht die Treibhausgase unterschlagen, die vor und nach der Stromproduktion anfallen, etwa beim Uranabbau, beim Kraftwerksbau oder -rückbau bis hin zur Endlagerung. Laut einem IPCC-Bericht emittieren Kernkraftwerke zwischen 3,7 und 110 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde – die Schwankungen entstehen, weil unklar ist, welche Kosten die Endlagerung noch verursachen.
Natürlich sind daher – wenn auch in geringerem Ausmaß – erneuerbare Energiequellen ebenso wenig völlig CO2-neutral. Das gilt insbesondere für Fotovoltaik und Biomasseerzeugung. Doch wie Forschende im Fachmagazin »Nature Energy« zusammenfassen, tragen Kernkraftwerke verglichen mit erneuerbaren Energien nicht dazu bei, Kohlendioxidemissionen zu senken.
Zudem lassen die Autoren in der Reaktionsgleichung für die Spaltung von Urankernen aus, dass nicht nur Energie und neue Produkte entstehen, sondern auch radioaktive Strahlung. Letztlich schließen sie die sinnvolle Nutzung der Kernenergie aus, weil die Investitionskosten extrem hoch sind sowie wegen des »möglichen Missbrauchs für Atomwaffen«. Sie wecken aber Hoffnungen auf spätere verbesserte Kernkraftwerke.
Im Kapitel »Speicher« erwähnen sie dafür nicht die Hoffnungen auf wichtige Speichertechnologie wie von flüssigen Redox-Flow-Akkus, die laut Forschenden des Fraunhofer-Instituts UMSICHT der größte Energiegroßspeicher der Zukunft werden könnten. Damit ließe sich der Mangel an verfügbaren erneuerbaren Energien wettmachen. Dennoch ist das Buch eine empfehlenswerte Einführung in das Thema. Beim Lesen muss man sich keineswegs abstrampeln wie die beispielgebenden Radfahrer. Es ist eher wie eine gemütliche Tour auf ebenem Gelände mit einem Hollandrad, bei der verständlich wird, wie viel Energie nötig ist, um drei Minuten heiß zu duschen.
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