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Geheimnisvoll, bedrohlich, betörend

Das Meer als Ort unergründlicher Sehnsucht und Ehrfurcht.

»Freier Mensch, immer wirst du das Meer lieben! / Das Meer ist dein Spiegel; du schaust deine Seele / Im unendlichen Rollen der Wogen / Und dein Geist ist ein ebenso dunkler Strudel«. Diese Zeilen verfasste der Schriftsteller Charles Baudelaire im Jahr 1857 in seinem Gedicht »Der Mensch und das Meer«. Zum Ausdruck kommt hier eine im 18. Jahrhundert einsetzende, neue Naturästhetik, die zum Teil sehr stark mit den Vorstellungen früherer Zeiten kontrastierte, in denen das Meer als finsterer, bedrohlicher Ort wahrgenommen wurde – als Gewalt, gegenüber der heroische Seemänner sich bewähren mussten.

Die Ausstellung »Europa und das Meer«, die noch bis zum 6. Januar 2019 im Deutschen Historischen Museum in Berlin gezeigt wird, widmet sich dieser veränderten Sichtweise auf den Ozean, und darüber hinaus noch zahlreichen weiteren maritimen Themen im Hinblick auf den europäischen Raum. Der Katalog zur Ausstellung bereitet sie am Beispiel europäischer Häfen sehr gelungen auf und überzeugt dabei sowohl inhaltlich als auch erzählerisch. In 17 Essays beschreibt er das Meer als Herrschafts- und Handelsraum, als Brücke und Grenze, als Ressource sowie als Sehnsuchts- und Imaginationsort. Der sich anschließende, eigentliche Katalogteil folgt der gleichen Strukturierung und erläutert all diese Aspekte anhand von Küstenstädten und den jeweils geeigneten Ausstellungsstücken.

Von Odysseus bis Containerschiff

»Europa und das Meer« deckt eine sehr große zeitliche Spanne ab, etwa wenn die Ausführungen zum Herrschafts- und Handelsraum mit der Fahrt des Odysseus beginnen, den Bogen über die Hanse und den transatlantischen Sklavenhandel weiterspannen und bis zur modernen Containerschifffahrt führen. Dies geschieht im Wortsinne anschaulich, nämlich anhand der im Katalogteil gezeigten, sehenswerten Objekte aus den Beständen diverser Leihgeber aus Deutschland und anderen europäischen Ländern.

Lesenswert beschreibt der Katalog viele historische Aspekte, die auch heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. So war der Atlantik im 19. Jahrhundert Schauplatz einer Massenmigration in Richtung Amerika, während es derzeit das Mittelmeer ist, über das Menschen nach Europa zu kommen versuchen. Und damals wie heute spielten die Ressourcen der Ozeane eine herausragende Rolle: ursprünglich vor allem der Fisch, heute dagegen, in Zeiten von Überfischung und bedrohten marinen Ökosystemen, zunehmend auch fossile Rohstoffe. Ein weiteres Thema ist die wissenschaftliche Erkundung der Ozeane, beginnend mit der Challenger-Expedition im Jahr 1872 über die »Deutsche Atlantische Expedition« des Forschungsschiffs »Meteor« in den Jahren 1925 bis 1927, bis zu den modernen Methoden der Meeresforschung.

Nach so vielen »harten« Fakten ist es sehr wohltuend, dass der Katalog mit einer eher musischen Betrachtung schließt. Mit einer Charakterisierung nämlich, wie sich die Sicht auf das Meer in den bildenden Künsten und der Literatur gewandelt hat und wie die Meere im Zuge der Industrialisierung zu Urlaubs- und Erholungsorten wurden. Insgesamt überzeugt das Werk und macht große Lust darauf, die Berliner Ausstellung zu besuchen.

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