Das Ende des Zweifels
»Fakten-Check Impfen« – wer ein Buch so übertitelt, hat wenig Chancen, Wissenschaftsleugnende zu erreichen. Jene reagieren bekanntlich auf Fakten allergisch. Die mehrfach ausgezeichnete Medizinjournalistin Nicola Kuhrt, der Facharzt Jan Oude-Aost und die Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation Cornelia Betsch versuchen es dennoch. Zumindest für alle, die unsicher, aber für Fakten offen sind, ist das Buch eine echte Entscheidungshilfe. Und wer das Impfen längst befürwortet, findet darin so manche Argumentationshilfe.
Mehr Ratgeber als Sachbuch
Tatsächlich ist das Buch mehr ein Ratgeber als ein Sachbuch und als solches nicht besonders unterhaltsam – darauf deuten schon die vier Seiten Inhaltsverzeichnis hin, die es ermöglichen, sofort eine Antwort auf jede Frage zu finden. Aber der »Fakten-Check« lässt sich auch von vorne bis hinten gut durchlesen, denn die Autoren nutzen Diagramme, Infoboxen, kleine Hintergrundtexte und kurze Interviews, um den Fließtext aufzulockern.
Inhaltlich lässt das Werk keine Fragen offen: Es stellt die Krankheiten vor, gegen die es bereits Impfstoffe gibt, erläutert die unterschiedlichen Arten von Vakzinen sowie deren Zusammensetzung und erklärt, was es mit Impfreaktionen und Nebenwirkungen auf sich hat. Dabei sprechen die Fakten für sich: »Im Jahr 2016 wurde bei 15 Todesfällen der Verdacht einer Impfung als Todesursache (bei rund 40 Millionen Impfungen) gemeldet. (…) Keiner der 15 gemeldeten Verdachtsfälle konnte nach Untersuchung durch das Paul-Ehrlich-Institut bestätigt werden.« Die Autoren beschreiben außerdem, wie Impfstoffe funktionieren und wie Zulassungen und Entscheidungen der STIKO (Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts) ablaufen. Zusätzlich finden ethische Fragen wie Herdenschutz und Impfpflicht Berücksichtigung: »Impfen ist also auch so etwas wie ein sozialer Vertrag.«
Wer sich mit dem Thema befasst hat, dem wird in der ersten Hälfte des Buchs nicht allzu viel Neues über den Weg laufen. Die Fakten sind altbekannt und von den Autoren gut recherchiert und dokumentiert. Umso bemerkenswerter ist die zweite Hälfte des »Fakten-Checks«, denn hier geht es um Impfmythen und Wissenschaftsleugnung. Dabei gehen die Verfasser auf sämtliche gängigen Sorgen bezüglich des Impfens ein und liefern klare, leicht verständliche und plausible Erklärungen, mit denen sie die Sorgen entkräften. Können Impfungen wirklich Allergien auslösen, wenn es in der DDR eine viel höhere Impfquote, aber deutlich weniger Allergien gab? Ist das Immunsystem eines Kindes wirklich überfordert, wenn ihm Impfungen zirka 200 Antigene präsentieren, die Umwelt im gleichen Zeitraum aber bis zu 1,4 Millionen?
Die klaren Fakten und plausiblen Argumente geben zweifelnden Eltern Sicherheit und in einem eigenen Kapitel auch denjenigen Lösungshilfen, die beim Impfen des gemeinsamen Kindes unterschiedlicher Auffassung sind. Nicht zuletzt hilft das Buch dabei, die Methoden der Personen zu durchschauen, die vorsätzlich Zweifel säen, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu diskreditieren – nicht nur hinsichtlich des Impfens. Das ist ein netter Bonus zum Schluss.
Das Buch verdient eine klare Empfehlung, denn es verbindet erfolgreich die Stärken der Autoren: die Recherchier- und Erzählkunst der Journalistin, das medizinische Fachwissen des Arztes und die elegante Präsentation der Fakten durch die Psychologin, die Verunsicherte und selbst Zweifelnde erfolgreich abholen kann; nicht zuletzt, weil das Team nichts beschönigt und die wenigen Unsicherheiten, die es bei dem Thema noch gibt, deutlich benennt (»Leider gibt es keine verpflichtende gemeinsame Datensammlung über Impfschäden«). Unterstützt wurden die Autoren von einem wissenschaftlichen Beirat – was angesichts der eigenen Kompetenzen keine Selbstverständlichkeit ist.
Und was ist mit Covid-19? Natürlich geht das Buch an mancher Stelle auf die Viruserkrankung und die nun angelaufenen Impfungen ein. Eine besondere Rolle erhält das Thema jedoch nicht. Das muss es auch nicht: Wer das Buch aufmerksam gelesen hat, wird Informationen zu dieser und kommenden Impfungen eigenständig bewerten und einordnen können.
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