Waffe und Machtsymbol
Das Schwert ist das erste Gerät der Geschichte, das explizit zum Töten anderer Menschen entwickelt wurde. In dieser Funktion war es – neben zahlreichen anderen Nahkampfgeräten – jahrtausendelang in Gebrauch, bis sich mehr und mehr die Fernwaffen durchsetzten. Bis heute wirkt der Nimbus des Schwerts zumeist mythologisch überhöht weiter und tritt die Waffe als starkes Symbol immer wieder in Erscheinung. Das Württembergische Landesmuseum in Stuttgart hinterfragt nun in einer Sonderausstellung (bis 28. April 2019) die »Faszination Schwert« und hat dazu diesen Begleitband herausgebracht, der das Thema unter vielen Gesichtspunkten behandelt. In zwölf meist chronologisch strukturierten Kapiteln und zahlreichen eingestreuten Exkursen leuchten die Autoren sowohl die einschlägige Kulturgeschichte als auch die technische Entwicklung aus.
Das einführende Kapitel beginnt mit der Bronzezeit, jener Periode, in der das Schwert erfunden wurde. Die frühesten Exemplare aus dem 17. und 16. vorchristlichen Jahrhundert bestanden noch nicht zwingend aus Bronze, sondern aus einem flachen Holzbrett mit je einer durchgehenden Nut an den beiden Schmalseiten, in die scharfkantige Gesteinsstücke als Schneide eingesetzt waren. Schwerpunktmäßig geht es in diesem Kapitel um die von den Kelten getragene Latène-Kultur mit ihren reichen Kriegergräbern, um die Römerzeit und das frühe europäische Mittelalter.
Von der Klingenspitze bis zum Knauf
Leser mit wenig Vorkenntnissen dürften schon am Anfang des Buchs gelegentlich mit Fachbegriffen überfordert sein, denn während sich die meisten etwa unter dem »Heft« eines Schwerts noch etwas vorstellen können, dürften nur wenige wissen, dass der »Ort« dieser Waffe die Klingenspitze ist (der Begriff wird erst später näher erläutert). Ganz am Ende des Buchs, noch hinter dem Literaturverzeichnis, erscheint die beschriftete Darstellung eines Schwerts, die dort fast wie ein Lückenbüßer wirkt. Sie hätte nach vorn gehört – zusammen mit dem erläuternden Schema einer Schwertscheide, das in dem Werk leider völlig fehlt. Zudem wäre es dem Lesevergnügen zuträglich gewesen, die Abbildungen zu nummerieren und im Text jeweils darauf zu verweisen, denn nicht zu allen beschriebenen Objekten gibt es eine Illustration, und das vergebliche Suchen danach ist lästig. Schließlich erscheint der Preis des Werks, gemessen an seinem schmalen Umfang, recht hoch.
Davon abgesehen handelt es sich um ein sehr gut illustriertes und geschriebenes Buch, dessen breites inhaltliches Spektrum in jeweils abgeschlossenen Kapiteln übersichtlich aufbereitet ist und dessen interessante Detailinformationen wohldosiert sind, dass man nicht darin erstickt.
Unter anderem erfahren die Leser, dass im Mithras-Kult Theaterschwerter zum Einsatz kamen; dass das »Schwert des Tiberius« nicht dem römischen Kaiser selbst, sondern einem seiner Centurionen gehörte; oder dass der Sax, ein in der Merowingerzeit gebräuchliches, gerades einschneidiges Schwert, gelegentlich sogar in Kindergräbern liegt. Wie alt das Phänomen der Markenpiraterie ist, zeigt sich etwa daran, dass Schwerter mit der Signatur »Ulfberht«, die aufgrund ihrer Qualität heiß begehrt waren, schon ab dem 9. Jahrhundert gefälscht wurden. Die legendären Schwerter diverser Heldensagen mit ihren unglaublichen Materialeigenschaften besaßen natürlich eigene Namen: am bekanntesten sind sicherlich Excalibur aus der Artus-Legende sowie das von Wieland geschmiedete Mimung.
Prunk und Zier
Schwerter waren häufig keine reinen Kampfgeräte, sondern zugleich auch Statussymbole und Herrschaftszeichen, was diverse Verzierungen auf Klinge oder Scheide belegen. Auch finden sich eingravierte Inschriften, die als magischer Schutz gedacht waren. Derlei Zierrat fiel manchmal so opulent aus, dass die entsprechenden Prunkstücke ziemlich klar nicht zu Kampf-, sondern zu Repräsentationszwecken gedient haben dürften. Auch in der bildenden Kunst – von Gemälden bis hin zu Plastiken – erscheint das Schwert als aufwertendes Accessoire, man denke nur an die männlichen Stifterfiguren im Naumburger Dom oder die vor diversen deutschen Rathäusern aufgestellten Rolands-Statuen.
In vorchristlicher Zeit wurden Schwerter den Göttern geopfert, manchmal als deren Anteil an der Kriegsbeute, welche man himmlischem Beistand zuschrieb. Im Christentum spielte das Schwert nicht nur in neutestamentlichen Gleichungen eine Rolle, sondern beeinflusste über die »Zwei-Schwerter-Lehre« auch die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen weltlicher und geistlicher Macht. Von dort führt eine Brücke zum Schwert als Gerechtigkeitssymbol, das die personifizierte Justitia zum Durchsetzen der Rechtsprechung in Händen hält und das im Schuldfall als Hinrichtungswaffe dienen kann.
Seine anhaltende Präsenz verdankt das Schwert nicht nur diversen Filmproduktionen, von »Highlander« über »Gladiator« bis »Star Wars«, es steht auch sinnbildlich für das Rittertum und besonders für die Periode der Kreuzzüge, die im Zuge aktueller politisch-religiöser Konflikte immer wieder heraufbeschworen wird. Die Autoren betonen, das Schwert sei über seine gesamte Geschichte hinweg fast ausschließlich Männerdomäne gewesen. Die wenigen Fälle Schwerter tragender Frauen – ob symbolhaft wie Justitia, mythisch wie die Amazonen oder historisch belegt wie Jeanne d’Arc – muten exotisch an.
Das letzte Kapitel befasst sich mit der eigentlich anachronistischen Rolle, die das Schwert in der neuzeitlichen Ideologie des »Dritten Reichs« und des sowjetischen Sozialismus spielte. Der Abschnitt schließt zwar mit einem Rückgriff auf das Alte Testament, greift dabei aber eine Zukunftsvision auf: die im Buch Micha 4,2-3 prophezeite Endzeit, in der alle »Schwerter zu Pflugscharen« umgeschmiedet werden.
Seinen vielen behandelten Einzelthemen wird der Band gerecht und macht neugierig auf die Stuttgarter Ausstellung mit den entsprechenden Originalen.
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