Direkt zum Inhalt

Bunt zusammengewürfelt

Aufwändig illustriert präsentiert das Buch kurz und knapp 50 Entdeckungen, welche die Mathematik geprägt haben.

Im Titel verspricht das Buch 50 Geschichten über revolutionäre Entdeckungen in der Mathematik. Vergleicht man den Seitenumfang mit dieser Anzahl, wird klar, dass die einzelnen Abschnitte nicht sehr lang sein können – und tatsächlich widmet der englische Chemiker und Autor des Buchs, Adam Hart-Davis, jeder Entdeckung gerade einmal drei Seiten. Mit einer Ausnahme: Henri Poincaré und seine chaotischen Systeme haben eine zusätzliche Seite erhalten, allerdings füllt die in den Text eingeschobene Fotomontage (Poincaré versucht einen Schmetterling zu fangen, der Schmetterlingseffekt lässt grüßen) diese fast vollständig.

Von den ersten Zahlen bis zum »Scutoid«

Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt, die chronologisch angeordnet jeweils zwischen sechs und neun Abschnitte enthalten – vom ältesten Beweis zählender Menschen (44 000 Jahre alte Knochenfunde mit Kerben) bis zur Entdeckung einer besonderen geometrischen Körperform, dem Scutoid, durch Pedro Gómez-Gálvez im Jahr 2018.

Zu Beginn jedes Abschnitts erwähnt Hart-Davis am Seitenrand, welche Person darin eine besondere Rolle spielt, wann die revolutionäre Entdeckung stattfand und worum es dabei ging. Die dazugehörigen Texte und die zweiseitigen Einleitungen zu den sieben Zeitepochen sind flüssig geschrieben und nahezu unabhängig voneinander lesbar, auch wenn der Autor immer wieder auf vorangehende oder künftige Passagen verweist. Liest man die Abschnitte in zufälliger Reihenfolge, fällt dem unkundigen Leser vielleicht nicht auf, dass Leonhard Euler in einem als Schweizer Mathematiker bezeichnet wird, während er einem anderen Abschnitt zufolge wie Christian Goldbach aus Königsberg stammt – was nicht stimmt.

Wie bereits erwähnt ist mit drei Seiten pro Entdeckung der Umfang der einzelnen Abschnitte ziemlich gering. Zudem sind die Seiten meist nicht vollständig mit Text gefüllt: Etwa ein Drittel dient als Rand, zudem zieren das Buch zahlreiche bunte Bilder. Diese haben meistens einen gewissen Bezug zum angesprochenen Thema, allerdings erfüllen nur wenige den Zweck, das Beschriebene zu verdeutlichen. Beispielsweise ist nicht nachvollziehbar, warum Hart-Davis den (möglicherweise) von Pythagoras stammenden Beweis des nach ihm benannten Lehrsatzes umständlich mit vielen Worten erklärt, obwohl das mit einer geometrischen Skizze nachvollziehbarer wäre. Stattdessen zeigt ein buntes, in den Text hineinragendes Bild einen Laufvogel, der eine Gießkanne auf dem Kopf trägt, aus der Wassertropfen auf mehrere am Boden liegende Bohnen fallen – wohl eine Anspielung auf die seltsamen Regeln der Pythagoräer.

Das Motiv ziert auch den Einband des Buchs, teilweise verdeckt durch den Titel »Fibonaccis Kaninchen«. Dass dabei ein Tier mit langen Ohren herausragt, wundert nicht, allerdings handelt es sich dabei eher um einen Hasen.

Die Illustrationen sind teilweise witzige und geistreiche Fotomontagen. So schaut eine Keplerbüste aus einem Weinfass heraus, womit man auch, ohne den Text zu lesen, ahnen kann, dass es sich bei der beschriebenen Entdeckung um die keplersche Fassregel handelt. Man könnte sich durchaus einen Spaß daraus machen, zu erraten, was dem Illustrator beim jeweiligen Thema durch den Kopf gegangen ist. Allerdings ist es diesem nicht gelungen, den Graphen der Exponentialfunktion y = ex korrekt zu zeichnen, was den tatsächlichen Stellenwert der Illustrationen verdeutlicht.

Gegen die eine oder andere Entscheidung des Autors, eine Entdeckung als »revolutionär für die Entwicklung der Mathematik« zu bezeichnen, könnte man ebenfalls Einwände erheben: Das Bernoulli-Prinzip und die Lagrange-Punkte sind beispielsweise wohl eher der Physik beziehungsweise der Astronomie zuzurechnen. Da der Autor aber nicht den Anspruch erhebt, eine Geschichte der Mathematik zu verfassen, ist seine subjektive Auswahl nicht zu kritisieren.

Dem Anspruch des Covertextes, der Leser erfahre »auf anschauliche Weise die spannenden Hintergründe, Prozesse und Auswirkungen der faszinierendsten Erkenntnisse der Mathematik«, wird das Buch allerdings nur oberflächlich gerecht. Es handelt sich nicht wirklich um ein Sachbuch, aber es ist durch die zahlreichen Anekdoten des Autors unterhaltsam geschrieben. Wegen der fehlenden fachlichen Tiefe bleiben allerdings die meisten Ausführungen sehr allgemein. Das Buch enthält am Ende ein einseitiges Glossar und ein zweiseitiges Stichwortverzeichnis, jedoch keinerlei Literaturhinweise zum Weiterlesen.

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Vielfältige Quanten

Wir tauchen ein in die Welt der Quanten, die uns noch immer zahlreiche Rätsel aufgibt. Forscher entwickeln ständig neue Modelle und hinterfragen Grundlegendes, wie beispielsweise das Konzept der Zeit. Gleichzeitig macht die Entwicklung neuer Quantencomputer große Fortschritte und könnte unsere Verschlüsselungssysteme bedrohen. Experten arbeiten an neuen Methoden, um unsere Daten zu schützen. Erfahren Sie, wie diese Herausforderungen gemeistert werden und ob Kryptografen den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen können.

Spektrum - Die Woche – Süßes Gift?

Entdecken Sie die Vorteile und Risiken einer zuckerfreien Ernährung in unserem Artikel »Süßes Gift«. Plus: Erfahren Sie in unserer Kolumne, warum im amerikanischen Wahlsystem nicht immer die Partei mit den meisten Stimmen gewinnt. Jetzt mehr erfahren!

Spektrum Geschichte – Kleopatra und das mysteriöse Grab von Ephesos

Ein achteckiger Bau, mitten in Ephesos und angeblich das Grab einer ägyptischen Prinzessin? In dem Oktogon entspinnt sich ein historischer Krimi um Kleopatra, ihre Schwester und ihre römischen Liebhaber. Vor mehr als 2000 Jahren war ein Machtkampf um Ägypten auf Leben und Tod entbrannt.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.