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Schwenk nach rechts

Ansichten aus dem rechtsextremen Spektrum haben sich in Deutschland verbreitet, hat eine aktuelle repräsentative Befragung ergeben.

Wie häufig rechtsextreme Einstellungen in Deutschland sind, untersucht ein Team um Oliver Decker von der Universität Leipzig und Elmar Brähler von der Universität Mainz in den so genannten Leipziger Mitte-Studien mit groß angelegten repräsentativen Befragungen seit 2002. Dabei definieren sie Rechtsextremismus anhand folgender Faktoren: Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und NS-Verharmlosung. Anhand von je drei Aussagen äußern die Befragten ihre Zustimmung oder Ablehnung dazu. Der besondere Fokus der aktuellen Erhebung mit mehr als 2400 Personen lag auf autoritären Dynamiken. Sie wurde in Kooperation mit der Heinrich-Böll- sowie der Otto-Brenner-Stiftung erstellt. Das daraus entstandene Buch lässt sich als PDF auf den Homepages der beiden Stiftungen kostenfrei herunterladen.

Die Sozialpsychologen stellten unter anderem fest, dass die Tendenz zu ausländerfeindlichen Einstellungen angestiegen ist, insbesondere gegenüber Muslimen. Fühlten sich 2010 ein Drittel durch die »vielen Muslime als Fremde im eigenen Land«, waren es 2018 mehr als die Hälfte der Befragten. 36 Prozent teilten die Ansicht »Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen«. Und 24 Prozent der Befragten (20 Prozent im Jahr 2016) stimmten den genannten Faktoren in allen Aussagen zu, was die Autoren als geschlossene manifeste Ausländerfeindlichkeit bezeichnen. So sind auch antisemitische Einstellungen nach wie vor weit verbreitet; beispielsweise waren rund 10 Prozent der Befragten der Ansicht, dass »der Einfluss der Juden (...) heute noch zu groß« sei. Besonders jene, die sich als Bürger nicht wertgeschätzt, überfordert oder übergangen fühlen – etwa bei amtlichen Angelegenheiten – neigen zu entsprechenden Ansichten.

Wunsch nach Führung

Die Untersuchungen haben mitunter Überraschendes ergeben. So äußern Milieus, die der gesellschaftlichen Mitte zuzurechnen sind, unerwartet deutlich den Wunsch nach starker Führung und autoritären Strukturen. Insgesamt stimmten 23 Prozent der Befragten »Menschen sollten wichtige Entscheidungen in der Gesellschaft Führungspersonen überlassen« vollkommen zu; 65 Prozent fanden, dass »Unruhestifter deutlich zu spüren bekommen [sollten], dass sie in der Gesellschaft unerwünscht sind«. Gefährlich könne das laut den Forschern werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtere – dann könnten Forderungen nach autoritärer Führung laut werden und somit demokratische Abstimmungsprozesse gefährdet sein.

Die Studie, die sowohl zum politischen Diskurs anregen will wie auch die »politische und gewerkschaftliche Bildungsarbeit« fördern möchte, enthält zahlreiche statistische Begriffe. Dass die Korrelation ein nicht kausal zu interpretierendes Zusammenhangsmaß ist, mag den meisten noch geläufig sein – bei Koeffizienten von Regressionsanalysen aber dürften nicht wenige Leser(innen) aussteigen. Ein Glossar wäre hilfreich gewesen.

Es schließen sich vier Essays zum Stand der Zivilgesellschaft an. Darin wird unter anderem erörtert, dass Pegida nachweislich gewaltbereit sei und durch Vereinigungen wie die »Freie Kameradschaft Dresden« unterstützt werde, die durch zahlreiche Rechtsverstöße Schlagzeilen gemacht hat. Hierzu sind einige Auszüge aus Unterlagen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgedruckt.

Was nach der Lektüre des Buchs hängen bleibt: Es ist enorm wichtig, widersprüchliche Ansichten zu diskutieren und wechselseitig zu respektieren. Wertschätzung sei unverzichtbar für die Demokratie, erklären die Autoren. Für die aufschlussreiche, schlaglichtartige Beleuchtung der Lebenswelten in Deutschland lohnt es, sich durch die Statistik zu kämpfen.

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