Eine junge Bewegung schafft Superlative
»Fridays for Future ist die weltweit größte und überraschendste Jugendbewegung der Neuzeit«: Diese passende Beschreibung von Peter Hennicke, dem früheren Präsidenten des Wuppertal-Instituts, findet sich auf dem Rückumschlag des Buchs »Fridays for Future – Die Jugend gegen den Klimawandel«. Ebenso schafften es die Proteste, sich aus ihrem winzigen Anfang zu einer weltumspannenden und stark beachteten Initiative zu entwickeln.
Man ist nie zu klein, um etwas zu bewirken
Man denke an den schüchternen Start der damals 15-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die sich freitags im August 2018 mit ihrem »Skolstrejk för klimatet« vor dem Stockholmer Reichstag niederließ. Kurze Zeit später erhielt sie gut zwei Dutzend renommierter Auszeichnungen. Im Winter 2018/2019 formierte sich in vielen Ländern die von ihr inspirierte und impulsive Aktion »Fridays for Future«. Bei Demonstrationen am 20. September 2019 beteiligten sich trotz geringer Strukturen allein in Deutschland etwa 1,4 Millionen Menschen in über 500 Orten.
Das Buch verschweigt dabei nicht, dass die erhofften »substanziellen Veränderungen der nationalen und internationalen Klimapolitiken« ausblieben. Ebenso räumen die Autoren »deutliche Erschöpfungserscheinungen unter vielen Aktivist_innen und ein sichtbar abnehmendes Medieninteresse« ein. Dagegen steht diese These: »Fridays for Future ist gekommen, um zu bleiben. Bereits jetzt hat die Bewegung eine nicht zu unterschätzende gesellschaftliche und politische Bedeutung entfacht.«
All diese Feststellungen treffen zu. Zudem sticht heraus, dass sich vor allem Schüler und Studenten beteiligen. Bis dahin schätzten viele Experten diese Bevölkerungsgruppe als politisch wenig bis gar nicht interessiert ein, als oberflächlich und kaum kompetent – schon gar nicht bei Themen wie Umweltschutz und Klimawandel. Charakteristisch für dieses Fehlurteil ist eine Äußerung des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner: »Ich finde politisches Engagement von Schülerinnen und Schülern toll. Von Kindern und Jugendlichen kann man aber nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis.«
Die Kritik an seinem Statement wäre nicht so heftig ausgefallen, hätte Lindner wenigstens eingeräumt, wie wenig die »Profis« trotz all der aufwändigen Konferenzen und Studien zu diesem Thema während der letzten Jahrzehnte erreicht haben. Tatsächlich erscheinen die Kenntnisse und das Engagement vieler Politiker kümmerlich, wenn man den Reden von Fridays-for-Future-Aktivisten wie Luisa Neubauer, Elena Balthesen, Carla Reemtsma und Jakob Blasel hört. »Du bist nie zu klein, um etwas zu bewirken«, so Greta Thunberg – diesen klugen Ausspruch sollte man in der Politik respektieren.
Der Politologe Sebastian Haunss und der Protestforscher Moritz Sommer haben den informativen Band herausgegeben, in dem sie 28 Wissenschaftler zu Wort kommen lassen. Sie stellen sich dabei verschiedenen Fragen zu der ungewöhnlichen Bewegung, zum Beispiel: Wer sind die Demonstranten? Wie ließen sich so viele Menschen mobilisieren? Was ist zu den Schulstreiks der vielen Teilnehmer zu sagen? Wie trifft »Fridays for Future« welche Entscheidungen? Wie berichten die Medien über die Aktionen?
In einem Text heißt es, für »Fridays for Future« spiele »die öffentliche Wahrnehmung eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung ihrer Anliegen«. Man setze dabei auf die eigene Betroffenheit und die direkte Kooperation mit Wissenschaftlern. Dabei ist keinesfalls sichergestellt, eine durchweg positive Berichterstattung zu provozieren. Einer Inhaltsanalyse von drei unterschiedlich orientierten Tageszeitungen (»SZ«, »Welt« und »taz«) zufolge beschränkt sich die Kritik aber meist auf formale Aspekte wie die Rhetorik und das Verhalten der Repräsentanten. Inhaltliches spiele dagegen »nur eine nachgeordnete Rolle«. Das mag den Auftretenden nicht unbedingt gerecht werden, doch solange berichtet und auch gestritten wird, »findet die Bewegung statt«.
Ein anderer Aufsatz informiert darüber, dass es mit Spontaneität und (umstrittenen) Schulstreiks nicht getan ist. Reichlich technische Ausrüstung, Bühnenaufbau, Aufrufe, eingängige Plakate und Ordnungsdienste müssen hinzukommen. Doch das kostet Geld. Außerdem bedarf es entschiedener Entschlossenheit, damit sich die Bewegung nicht durch gewichtige Themen wie die Corona-Pandemie verdrängen lässt.
Der Band gewinnt auch durch die zahlreichen Literaturangaben, die den Beiträgen folgen. Ebenso findet man viele Grafiken und Tabellen aus den etlichen Studien, die es zu diesem Thema genauso gibt wie Monografien. Dies erscheint besonders verdienstvoll.
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