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Im Rausch der Extreme

Eine flapsige Einführung in die Neurowissenschaften für Abenteurer.

Was passiert während eines Ausnahmezustands im Gehirn – etwa im Drogenrausch, in großer Höhe oder unter dem Druck der Tiefsee? Das ist die Leitfrage des Buchs von Klaus Stiefel. Der Autor kann in gleich mehreren Bereichen persönliche Erlebnisberichte beitragen, schließlich arbeitet er laut Klappentext als Tauchlehrer, Naturfotograf und unabhängiger Wissenschaftler auf den Philippinen. Dass er ein ziemlich ungewöhnlicher Forscher ist, wird auch im Text schnell klar – spätestens, wenn er seine eigenen Erfahrungen mit dem halluzinogenen Pilz Psilocybe mexicana oder mit einem psychoaktiv wirkenden Götter-Salbei teilt.

Extrembergsteigen kann Stiefel allerdings nicht. Deshalb erteilt er hierzu Reinhold Messner das Wort. Leider gelingt es diesem nur eingeschränkt, zu vermitteln, wie sich eine solche Erfahrung anfühlt. Auch Stiefel selbst kommt einer Beschreibung des Gefühls, das sich 55 Meter unter der Wasseroberfläche einstellt, nicht näher als mit den Worten »undefinierbar ... anders«. Er zählt »diffus-blaues Licht« auf, ein metallisches Kribbeln auf der Haut und lässt die Leser an seiner Vergesslichkeit teilhaben. Doch der Tiefenrausch als solcher scheint nur in den Worten durch, der Taucher fühle sich »ganz besonders entspannt und leicht euphorisch«. Wer den Zustand nicht selbst erlebt hat, kann ihn anhand dieser Schilderung nicht nachvollziehen.

Sinnvolle Spekulationen

Stiefel befasst sich bei seiner Erkundung extremer Gehirnzustände auch mit Tieren, andernfalls würde man »zu viel versäumen«. In den Buchkapiteln über deren Wahrnehmung ist er allerdings auf »sinnvolle Spekulationen« angewiesen. Diese seien erlaubt, »solange man dazu sagt, dass man spekuliert und die Grenzen der wissenschaftlichen Plausibilität höchstens streift.« Doch heraus kommen Vermenschlichungen wie der Vergleich einer elektrischen Fehlkommunikation bei Fischen mit des Autors eigenen Flirtversuchen in Japan: »Welch beschämende soziale Situation!« Und statt sich den Winterschlaf aus der Sicht eines Hamsters vorzustellen, driftet der Autor in die Sciencefiction ab. Ausführlich führt er das Konzept des künstlichen Winterschlafs ein, der auf künftigen interstellaren Reisen notwendig sein mag. Freilich nur, um zu dem Schluss zu kommen, der Raumfahrer müsse dann sowohl die monumentale Distanz als auch den Tod aller, die er je gekannt habe, bewältigen. »Zu dieser psychologischen Herausforderung kommt dann noch der schlimmste Hangover aller Zeiten dazu. « Eine Spekulation, die wenig neue Einsichten beschert.

Stiefel gratuliert sich selbst gegen Ende des Buchs, er habe dem Leser »auch ein Spektrum neurobiologischer Forschungsmethoden nähergebracht«. Tatsächlich verknüpft er seine Selbsterfahrungsberichte und Spekulationen mit Zellmembranbiologie, Tierversuchen und bildgebenden Verfahren. Und er findet dabei das eine oder andere treffende Bild für die Vorgänge im Nervensystem. Das EEG beschreibt er etwa so: »Genauso wie man einen einzelnen Fußballfan im Stadium nicht hören würde, aber den Sprechgesang der kompletten Ostkurve noch laut am Parkplatz vor dem Stadium versteht, so kann man die gesammelte Aktivität einer ganzen Hirnregion gut messen.« Mehrfach handelt er allerdings auch grundlegende Vorgänge in wenigen Sätzen ab, daher hat das Werk für Laie eine deutlich zu hohe Informationsdichte.

Laien sind aber eindeutig die Zielgruppe. Oft liest sich er Band so, als habe Stiefel im Wesentlichen Diskussionen niedergeschrieben, die er beispielsweise mit seinen »Tauchbuddys« führte: Was ist da beim Tiefenrausch eigentlich gerade mit unseren Gehirnen passiert? Geschrieben ist das Ganze in einem entsprechend flapsigen Stil. Da sind Nervenzellen »überrascht«, ein Unterwasserblitz »sauteuer« und Veränderungen im EEG »krass«. Ein Interview mit seinem »lieben Freund, [...] Apnoetauchausbilder Jan T. Kalz« beginnt mit »Hallo Jan! [...] Hallo Klaus!« Die zahlreichen Ausrufezeichen im Text sollen wohl den »extremen« Eindruck unterstützen.

Für Leser, die einige der beschriebenen Erfahrungen selbst nachvollziehen können, ist das Buch wahrscheinlich nicht die schlechteste Heranführung an die Neurowissenschaft. Allen anderen gewährt es zumindest Einblicke in das Leben eines unkonventionellen Forschers.

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