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»Geschichte der Raumfahrt bis 1975«: Viel Tüddelkram, aber gute Essenz

Auch wenn seine Substanz unter editorischen Merkwürdigkeiten mitunter verschüttzugehen droht: Der erste Band dieser Raumfahrtgeschichte hat seine starken Seiten.

Je weiter ihre Entwicklung voranschritt, desto schwieriger ist es geworden, eine vollständige Geschichte der Raumfahrt zu verfassen. Viele Autoren haben sich daran versucht, aber so richtig gut ging das nur bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das deutschsprachige Standardwerk war lange Werner Büdelers 1979 erschienene »Geschichte der Raumfahrt« – ein großformatiger, vier Kilo schwerer Foliant von fast 500 Seiten Umfang, der das Thema noch weitgehend vollständig abarbeitete. Seit Büdelers Tagen ist aber in der Raumfahrt immer mehr in immer kürzeren Zeitabständen geschehen. Heute scheint jeder Versuch, hier Vollständigkeit zu erreichen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. In meinem eigenen Buch zur Raumfahrtgeschichte habe ich mich aus diesem Grund auf 100 wichtige Ereignisse beschränkt. Einer, der den heroischen Kampf um Vollständigkeit trotzdem aufgenommen hat, ist der deutsch-österreichische Autor André T. Hensel. Er arbeitet derzeit an einer Trilogie über dieses Thema. Bereits auf dem Markt ist Band 1, der die »Geschichte der Raumfahrt bis 1975« behandelt, Band 2 widmet sich der Zeit von 1975 bis 2000 und erscheint im August 2025.

Band 1 ist ein 575 Seiten starkes Softcover-Buch. Die ersten 63 Seiten sind mit römischen Ziffern nummeriert – wohl um sie vom »normalen« Text abzusetzen, der arabisch beziffert ist. An sich also viel Platz für viel Inhalt. Der wird aber nicht besonders gut genutzt, denn an dieser Stelle kommt eine schon etwas mehr als nur schrullige Vorliebe des Autors für bibliothekarische Ordnungsfinessen und überflüssige, teilweise sogar rätselhafte Textelemente zum Tragen.

Das geht gleich ganz vorn los, wo auf zwei Seiten unter dem Titel »In Memoriam« Astronauten gedacht wird, die entweder in Vorbereitung oder in Durchführung ihrer Profession ums Leben kamen. Hensel ist dabei auf die etwas befremdliche Idee verfallen, bei jedem Namen – ohne jede Erläuterung – auch noch das »Vehikel des Todes« (so nenne ich das jetzt einfach mal) hinzuzufügen. Das liest sich dann beispielsweise so: »Volkswagen VW Käfer †06.06.1967: Maj. Edward G. Givens (*1930)«; eine Information, mit der nur derjenige etwas anfangen kann, der weiß, dass der Astronautenkandidat Givens bei einem Unfall mit seinem VW ums Leben kam. Oder wie wäre es mit »Tupolew Tu-144 †03.06.1973: Wladimir N. Benderow (*1924)«. In dieser Liste von insgesamt 24 sonst durchweg Verstorbenen findet sich übrigens auch der ESA-Astronaut Thomas Reiter, der sich immerhin lebendig genug fühlte, um Hensel eine Widmung für die Buchrückseite zu schreiben.

Immerhin: 300 Seiten inhaltliche Substanz

Auf das »In Memoriam« folgt ein »Geleitwort zur 2. Auflage«. Dann kommt ein zehn Seiten langes Vorwort zur 3. Auflage, das eine Reihe fachlicher Fehler enthält. Es folgen eine Danksagung, das Inhaltsverzeichnis, eine Biografie des Autors, ein 26 Seiten langes Abkürzungsverzeichnis, ein zwölf Seiten langes Abbildungsverzeichnis mit allen Bildtexten und schließlich – wir sind inzwischen auf Seite 63 (vielmehr: »LXIII«) – könnte endlich Kapitel 1 beginnen, wäre dem nicht erneut das Inhaltsverzeichnis vorangestellt, das wir schon auf Seite XXI hatten.

Nach jedem Kapitel folgt ein ausführliches Literaturverzeichnis, das sich hinten im Buch noch einmal wiederholt, wenn auch anders sortiert. Ab Seite 439 beginnt schon der Abspann mit einem acht Seiten langen Nachwort, gefolgt von einem ebenfalls acht Seiten langen Summary, das aus mir unerfindlichen Gründen in einer Mischung aus Deutsch und Englisch gehalten ist. Dann kommen ein 24 Seiten langes Glossar, noch einmal 17 Seiten Literaturverzeichnis sowie 15 Seiten Personen- und Sachverzeichnis. Es ließen sich noch zahlreiche weitere, vor allem handwerkliche Absonderlichkeiten des Buchs bekritteln, die leider auch Typografie und Gestaltung betreffen. Generell mangelt es dem Buch an allen Ecken und Enden an einem Lektorat, das den Autor ein wenig geführt hätte.

Lässt man die Luft aus all diesen zahllosen Redundanzen, Abstrusitäten und unnötigem Firlefanz heraus, bleiben vielleicht 300 Seiten essenziellen Inhaltes übrig. Der aber ist, das muss nun auch gesagt werden, gar nicht so übel. Kleine Fehler hier und da fallen kaum auf, und gegenüber vielen anderen Büchern dieser Art findet man hier echten Mehrwert. Hensel bietet viele auch mir manchmal unbekannte Details und Fakten, gelegentlich gefärbt mit persönlicher Meinung, vor allem, wenn es um zeitgeschichtlichen Kontext geht.

Mein Fazit somit: Wenn Sie sich den ganzen unnötigen Tüddelkram wegdenken, ist »Die Geschichte der Raumfahrt bis 1975« ein durchaus lesenswertes Buch.

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