Von Feuerstein bis Uran
Glück auf und nicht wieder hinab? Die letzten beiden Steinkohlezechen Deutschlands in Bottrop und Ibbenbüren (Nordrhein-Westfalen) stellen Ende des Jahres 2018 ihre Förderung ein. Für den deutschen Bergbau sicherlich eine Zäsur. Aber es werden hierzulande auch weiterhin Braunkohle sowie Steine, Erden und Industrieminerale wie Kali, Kaolin und Quarz abgebaut. Thematisch passend ist nun dieses Buch erschienen, das schon durch Gestaltung und Satz besticht. Unterstützt von mehr als 190 meist farbigen Abbildungen überzeugen die Autoren mit Kompetenz und lesefreundlichem Schreibstil.
Lars Bluma, Michael Farrenkopf und Stefan Przigoda geben einen einmaligen, reich bebilderten und für Laien verständlichen Einblick darein, wie Lagerstätten der Erze, Kohlen und Salze erkundet, erschlossen und gefördert werden. Auch mit der Entwicklung der Bergbautechnik und den bergmännischen Traditionen befassen sie sich. Ohne Kenntnis des Bergbaus lassen sich Industrialisierung und technischer Fortschritt nicht verstehen; zudem ist er seit vielen Jahrtausenden nachweislich eng verbunden mit der kulturellen und sozialen Entwicklung von Staaten und Gesellschaften.
Steinzeitliches Bergwerk
Wissenschaftlich fundiert, aber dennoch verständlich führt der Band in die geologischen Prozesse ein, die zur Entstehung von Erz-, Kohle- und Salzlagerstätten geführt haben. Auch gewährt er faszinierende Einblicke in den Bergbau früherer Hochkulturen Ägyptens, Roms und des Vorderen Orients. In den späteren Buchteilen fokussieren die Autoren allerdings auf die Entstehung und Entwicklung mitteleuropäischer Bergbauzentren und dann insbesondere auf den deutschen Bergbau.
Bevor das »Jahrhundert der Kohle« (von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der 1960er Jahre) die jüngere Wirtschaftsgeschichte prägte, tat dies bereits der Bergbau mit der Wirtschaft der frühen Hochkulturen. Nicht umsonst sind Epochen der Menschheitsentwicklung nach den Rohstoffen Stein, Bronze und Eisen benannt. Die ältesten, in Afrika gefundenen Steinwerkzeuge datieren auf ein Alter von rund 3,4 Millionen Jahren. Obwohl organisierter Schacht- und Grubenausbau bereits etwa 30.000 vor Christus in Oberägypten nachweisbar ist, finden sich erst im Neolithikum bei sesshafterer Lebensweise vielerorts gezielte Bergbauaktivitäten. Das im niederbayrischen Abensberg-Arnhofen gefundene Feuersteinbergwerk beispielsweise war mit 120.000 Schächten eine der größten neolithischen Gewinnungsstätten für Feuerstein in Europa!
Mit dem 12. Jahrhundert begann eine konjunkturelle Hochphase bergbaulicher Aktivitäten, wie aus dem Buch hervorgeht. Der Mönchsorden der Zisterzienser expandierte über ganz Westeuropa, weil er kontemplative religiöse Innerlichkeit und praktisch-handwerkliche Tätigkeiten in seinem Arbeitsethos vereinte und damit Laien, Handwerker, Bauern, Berg- und Hüttenleute anlockte. Zu dem Orden gehörten nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch technisch hochentwickelte Bergwerke, Schmelzhütten und Hammerwerke vielerorts in Europa. So entwickelte sich ein komplexes europäisches Ordensnetzwerk, in dem ein intensiver Wissenstransfer zu bergbaulichen und hüttenmännischen Verfahren stattfand – angeregt durch die klösterlichen Bibliotheken.
Der Harz, das Erzgebirge, Böhmen und die Ostalpen legen noch heute eindrucksvolle Zeugnisse ab vom Leben in den spätmittelalterlichen Bergbauregionen und den Städten dort, die bald einen rechtlichen Sonderstatus einnahmen. Sagen und Mythen, Alchemie und Christentum prägten die Ansichten der Bergleute, wie die Autoren anhand von Beispielen zeigen.
Die Geschichte der Bergbautechnik ist eng verbunden mit den besonderen Gefahren und Sicherheitsanforderungen dort. Aus der Lektüre geht hervor, dass Mechanisierung und Elektrifizierung die Ausbeutung der Lagerstätten immer stärker vorantrieben. Das Elend der typischen Berufskrankheiten, die oft unzureichende Arbeitssicherheit unter Tage und das zunehmende Selbstbewusstsein der Bergleute sorgten dafür, dass sie sich in Knapp- und Berufsgenossenschaften zusammenschlossen und risikomindernde »Schlagwetterkommissionen« einrichteten. Knappen-, Bergarbeiter- und Bürgervereine schufen ein buntes gemeinschaftsbildendes Brauchtum, das in Bergfesten mit eigens dafür verfassten Liedern und Gedichten sowie Bergparaden in Uniform heute noch fortlebt.
Die letzten Buchkapitel behandeln Probleme des heutigen Bergbaus, etwa im Kongo, wo Menschen mit bloßen Händen Gold mit Quecksilber auswaschen. Weiträumige und tiefe Eingriffe in die Umwelt – von der Erdoberfläche bis zu den Tiefseeböden – sprechen die Autoren genauso an wie Bergsenkungen und die Suche nach Zwischen- und Endlagern für radioaktive Abfälle. Einen Ausblick auf die Zukunft des deutschen Bergbaus und die Bewältigung so genannter Ewigkeitslasten schließen das Werk ab. Das Buch ist Interessierten rundum zu empfehlen.
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