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Die Epochenmacher

Im Geschichtsunterricht lernen die Schüler schon früh die drei gängigen Epochen kennen: Antike, Mittelalter und Neuzeit. Solche Einteilungen sind sowohl in der Schule als auch für die Geschichtswissenschaft unentbehrlich. Denn sie helfen, vergangene Zeit zu ordnen und zu gliedern. Allerdings sind Epochen nicht objektiv gegeben, sondern werden im Rückblick konstruiert, indem man historische Brüche und Kontinuitäten bewertet. Der inzwischen verstorbene Mittelalterexperte Jacques Le Goff hat in diesem Essay die Probleme hervorgehoben, die damit einhergehen. Wenn Historiker früheren Ereignissen diese oder jene Bedeutung beimessen, schrieb der Autor, tun sie dies aus einer subjektiven Perspektive heraus. Eine richtige oder falsche Einteilung in geschichtliche Perioden gebe es somit nicht.

Als Leser(in) erfährt man, wie die Historiker Jules Michelet und Jacob Burckhardt im 18. Jahrhundert dafür eintraten, dass die Renaissance in der Geschichtswissenschaft als eigenständige Epoche behandelt werde. In jener Zeit habe ein "Erwachen der Vernunft" stattgefunden, argumentierten sie. Der Mensch sei damals neu gedacht worden, wissenschaftliche Herangehensweisen und Methoden – allen voran die Rationalität – hätten sich durchgesetzt. Das Mittelalter wurde in Abgrenzung dazu als "dunkle Zeit" dargestellt.

Aufbruch oder Ausklang?

Der Essay widerspricht diesem Bild und insbesondere der These, mit der Renaissance habe die Neuzeit begonnen. Le Goff sah die Renaissance vielmehr als letztes Glanzlicht eines langen Mittelalters. Die mittelalterliche Scholastik, eine auf Aristoteles zurückgehende Theorieschule, habe durch Anwendung des so genannten induktiven Verfahrens ebenfalls auf die Vernunft zurückgegriffen. Auch sei in ihr bereits ein neues Menschenbild angelegt gewesen.

Le Goff kritisiert zudem, Reichweite und Wirkkraft der Renaissance würden in der Geschichtsschreibung oft überschätzt. Selbst die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (um 1450) und die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus (1492) seien in ihrer Wirkung auf die Zeitgenossen nicht so bedeutsam gewesen, dass sie einen Epochenbruch rechtfertigen würden. Eine Zäsur, die das Ende des Mittelalters weit eindeutiger markierte, sah Le Goff viel später, und zwar insbesondere in zwei Ereignissen: im Erscheinen der berühmten Encyclopédie von Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d'Alembert (1751) sowie im Ausbruch der französischen Revolution (1789).

Der Mittelalterexperte mag Recht damit gehabt haben, dass die Entdeckung Amerikas in der Wahrnehmung der Zeitgenossen nicht so wichtig war, wie sie uns heute erscheint. Doch kann man seiner Argumentation entgegenhalten, dass er die Bedeutung der aufkommenden Schifffahrt und des daraus entstehenden Handelsnetzes im 15. und 16. Jahrhundert unterschätzt. Der Buchdruck mit beweglichen Lettern, der das Vervielfältigen von Schriften erheblich beschleunigte und verbilligte, geriet bei Le Goff zum historischen Nebenschauplatz. Auch die Reformation und die hieraus entstehende Spaltung des Christentums sah er als Randerscheinung. Er hielt diese Ereignisse für nicht tief greifend genug, um mit ihnen einen Epochenumbruch zu rechtfertigen. Doch wenn man sie kollektiv in den Blick nimmt, kann man durchaus argumentieren, der Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit habe um das Jahr 1500 herum stattgefunden.

Die Einteilung in historische Epochen ist ein subjektiv geprägtes Hilfsmittel der Geschichtswissenschaft. Daran zu erinnern, ist die Stärke dieses Essays. Zeitgrenzen, so Le Goff, sind nicht gegeben, sondern werden gemacht. Deshalb sei es wichtig, den Blick auf die Geschichte immer wieder neu zu überdenken und zu hinterfragen.

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