Du bist, was du (nicht) isst
Im Vorwort dieses Buchs erklärt die Wissenschaftsautorin Ulrike Gebhardt, die auch für »Spektrum.de« schreibt, dass sie dem Fasten gegenüber zunächst skeptisch eingestellt war. Im Zuge der Recherchen zu diesem Werk habe sich das jedoch geändert. Sie sei jetzt davon überzeugt, dass Körper und Geist vom gelegentlichen Nahrungsverzicht profitieren können. Welche Erkenntnisse zu diesem Gesinnungswandel beigetragen haben, verrät die Autorin auf knapp 200 Seiten.
Fasten kann ganz unterschiedlich erfolgen und verschiedene Gründe haben. Das bekannte Heilfasten nach Otto Buchinger beispielsweise soll Krankheiten vorbeugen und auch zur Heilung beitragen. Die Fastenden nehmen bei dieser Methode zwei bis vier Wochen lang täglich nur 500 Kilokalorien in Form von Brühen und Säften zu sich.
Doch Fasten ist nicht immer bewusster Verzicht. Gebhardt erinnert daran, dass Phasen des Fastens zu einer naturnahen Lebensweise gehören und vermutlich auch wichtig für den Organismus sind. So fasten wir (unfreiwillig) während eines Infekts, wenn der Appetit fehlt und der Organismus einen Widerwillen gegen Lebensmittel entwickelt. Der »Sinn« dessen liegt mutmaßlich in einer Drosselung der Nahrungsaufnahme, um Energie von der Verdauung abzuziehen und für die Abwehr von Krankheitserregern bereitzustellen.
Zelluläre Müllabfuhr
In Zeiten des Nahrungsmangels ist das »Recycling-Programm« des Körpers, die so genannte Autophagie, besonders aktiv. Sie führt dazu, dass die Körperzellen etwa fehlgefaltete Proteine oder andere beschädigte Zellbestandteile abbauen. In der Konsumgesellschaft sind solche Mangelphasen jedoch selten. Viel häufiger tritt das Gegenteil ein, nämlich die Überflutung des Organismus mit Nährstoffen infolge des Verzehrs hochkalorischer Nahrungsmittel, die sehr viel Zucker und Fett enthalten. Übergewicht, Diabetes und andere Leiden, die mit dem heutigen Lebenswandel assoziiert sind, werden dadurch häufiger. Dem ständigen Überfluss Grenzen zu setzen, könne heilsam sein, legt Gebhardt dar. Leben sei immer im Wandel und brauche Fülle und Verzicht gleichermaßen, um sich zu entwickeln.
So sinke beim Fasten der Blutspiegel an Zuckerverbindungen und auch Entzündungsstoffen. Das komme dem gesamten Organismus zugute. Im Gehirn etwa liegen bei vorübergehendem Nahrungsverzicht mehr Endorphine sowie größere Mengen des Neurotransmitters Serotonin vor. Deshalb kann Fasten zumindest kurzfristig die Stimmung heben. Außerdem könnte der milde »Entzugsstress« dazu führen, dass Nervenzellen robuster werden.
Zumindest in Tierversuchen erwies sich das Fasten als eine Art Jungbrunnen. Gebhardt berichtet von einer Studie, in der regelmäßig fastende Tiere im Durchschnitt länger und gesünder lebten. Ob sich das auf den Menschen übertragen lässt, ist freilich unklar.
Normalerweise gewinnt der Körper seine Energie aus Glukose, die er durch Verstoffwechseln der Nahrung gewinnt und über den Blutkreislauf im Organismus verteilt. Beim Fasten steht sie nur eingeschränkt zur Verfügung. Als Ersatz greift der Organismus zunächst auf einen körpereigenen Glukosespeicher, das Glykogen, zurück. Sind auch diese Reserven aufgebraucht, setzt die Energiegewinnung aus so genannten Ketonkörpern ein. Ketone werden in der Leber aus Fettsäuren hergestellt.
Dem Gehirn scheint es gutzutun, einige Zeit auf den Brennstoff Keton umzustellen. Unter anderem entstehen dann in den Hirnneuronen weniger reaktionsfreudige Sauerstoffverbindungen, die in hohen Konzentrationen zu Krankheiten beitragen können. Bereits 12 bis 14 Stunden nach der letzten Mahlzeit beginne die Ketonproduktion in der Leber, schildert Gebhardt. Daher könne sich auch schon ein kurzes Fasten positiv auswirken.
Biochemische Mechanismen erklärt die Autorin gut verständlich. Dennoch ist das Buch für Laien nicht durchweg leichte Kost. Boxen am Anfang und Ende jedes Kapitels fassen das Wichtigste knapp zusammen. Literaturverweise erscheinen direkt im Anschluss an die einzelnen Kapitel.
Eine Anleitung zum Fasten liefert das Buch nicht. Dafür bekommen die Leser interessante Einblicke darein, wie sich der Verzicht auf das Gehirn auswirken kann. Was man aus den Erkenntnissen für sich persönlich schließt, sei jedem selbst überlassen, schreibt die Autorin. Fasten habe viele Facetten, und das eine Erfolgsrezept gebe es nicht. Gebhardt selbst möchte künftig öfter ein Über-Nacht-Fasten praktizieren. Das bedeutet, früh zu Abend zu essen und/oder spät zu frühstücken. Diese Methode ähnelt dem Intervallfasten, das im Trend liegt. Ein solcher Verzicht lässt sich gut mit dem Alltag vereinbaren und erfordert keine eiserne Disziplin.
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