Leuchtende Bäume statt Straßenlaternen
Biosprit, gentechnisch verändertes Saatgut, künstlich gezüchtetes Fleisch, Algen als Palmölersatz: Die Liste innovativer Projekte, um fossile Rohstoffe als Basis vieler Produkte zu ersetzen und in Zeiten des Klimawandels eine stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, ist lang. Der Begriff "Bioökonomie" beschreibt eine Wirtschaftsweise, die solche Bemühungen umfasst. Dabei sollen möglichst alle Produkte des täglichen Bedarfs aus nachhaltigen Rohstoffen entstehen, ob pflanzlicher, tierischer oder mikrobieller Herkunft. Das reicht vom Fahrrad aus Moso-Bambus, Hanffasern, Buchenholz und Kork über Waschmittel aus natürlichen Enzymen bis zu leuchtenden Bäumen statt Straßenlaternen.
Die Autorin Christiane Grefe setzt sich im vorliegenden Buch ausführlich mit der Bioökonomie auseinander. Sie beschreibt, wie sie seit den 1980er Jahren immer wieder auf den Begriff stieß und wie sich dessen Bedeutung im Lauf der Zeit veränderte. Ursprünglich meinte man damit ein nachhaltiges und bescheidenes Wirtschaften mit klaren Wachstumsgrenzen. Heute steht der Begriff eher für eine Wirtschaftsform, die mit neuen Techniken biogenes Material verwerten und so für weiteres Wirtschaftswachstum sorgen soll.
Verbessern oder verbergen?
Grefe versucht in ihrem Buch zu klären, welche Chancen und Risiken sich mit diesem Trend verbinden. Dabei fragt sie vor allem, ob die Bioökonomie tatsächlich unsere jetzige Wirtschaft, die sich primär auf fossile Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle stützt, nachhaltig umgestalten kann. Oder ob es sich dabei, wie mancher Umweltschützer fürchtet, eher um einen Deckmantel handelt, unter dem Unternehmen ethisch fragwürdige gentechnische Verfahren durchsetzen möchten.
Die Autorin besuchte zahlreiche Unternehmen, Orte und Personen in verschiedenen Ländern und verarbeitet ihre Erlebnisse im Reportagestil. Dabei geht sie auf den Status quo, auf neue biotechnologische Methoden, auf politische Beschlüsse und Zukunftsvisionen ein. Beispielsweise besuchte sie das "Glowing Plant"-Projekt in San Francisco, das darauf abzielt, Leuchtkäfer-DNA ins Erbgut von Bäumen einzubringen und mit diesen dann die nächtlichen Straßen zu beleuchten. Einerseits fand das Projekt bei der Crowdfunding-Plattform "Kickstarter" viele Unterstützer, andererseits löste es eine kritische Debatte über Gentechnik in der amerikanischen Bevölkerung aus.
In kurzen Streitgesprächen kommen verschiedene Experten zu Wort, etwa der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft Carl-Albrecht Bartmer, der sich für den verantwortungsvollen Einsatz von Biotechnologie in der Pflanzenzüchtung einsetzt. Ihm entgegen stellt sich der Agrar-, Ernährungs- und Umweltethiker Franz-Theo Gottwald, indem er auf die Risiken und ungeklärten Folgen solcher Verfahren hinweist.
Insgesamt stellt Grefe die Chancen und Gefahren der Bioökonomie sachlich und ausgewogen dar. Dabei begegnet sie den neuen Techniken und Zukunftsvisionen durchaus kritisch und hinterfragt viele Ansätze – besonders die der großen Agrarfirmen wie Monsanto, Nestlé und Syngenta. Das Buch eignet sich freilich nicht als Nachschlagewerk, da die Autorin oft zwischen Themen springt und dabei zum Teil den roten Faden vermissen lässt. Auch wer sich eine abschließende Antwort darauf erhofft, ob Bioökonomie eine gute oder schlechte Entwicklung darstellt, ist hier an der falschen Adresse. Schließlich schreibt Grefe bereits im Vorwort, dass sie mehr Fragen aufwirft als beantwortet.
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